Auch jetzt konnte sie nicht sagen, daß er allzu höflich gegen sie war.
Für die Eroberung der Weiber hatte er sein ganz besonderes System: Manchmal quälte er sie nur, um sie die volle Überlegenheit seiner männlichen Würde fühlen zu lassen.
Käthe gegenüber änderte er zwar dieses System mit Rücksicht auf den eigentümlichen Charakter, hielt aber immer an den Grundsätzen fest, die er zwischen einem Pfeifchen und dem anderen mehr oder minder in den Worten ausdrückte: „Mit den Weibern ist es, wie mit schlechten Besen: Nur immer dreist, sonst sind sie halb Hund, halb Ziege, so mißtrauisch. Nur immer den Kopf hoch, dann fallen sie dir von selbst in die Tatzen.“
Dies tat er auch Käthe gegenüber, indem er ihr zurief, so oft sie über den Hof ging, sie solle ihm nur nicht die Tür umreißen.
Sie aber lächelte sanft, als sei dies nur die Einleitung zu Zärtlichkeiten.
Manchmal hielt er sie beim Vorübergehen an und kniff sie, ohne ein Wort zu sagen, nicht allzu stark, nur wie im Scherz in den Arm.
Auf jeden anderen Mann wäre sie sicher ärgerlich geworden.
Johann aber durfte sich offenbar viel herausnehmen. Denn wenn sie auch ein wenig schmollte, mußte sie dennoch im Stillen bekennen, daß ihr bei jedem solchen „Kneifen“ so wohlig wurde, als tränke sie Tee mit sechs Stücken Zucker.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/184&oldid=- (Version vom 1.8.2018)