Ein wenig Zeit für sich selbst ließ sich allerdings leicht stehlen. Um so schwieriger aber Petroleum, Seife und Holz. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, etwas von der durch den Herrn zugeteilten Seife oder Stärke sich anzueignen.
Plötzlich kam ihr der Zufall in Gestalt ihrer Herrin zu Hilfe.
Budowski versorgte in seinem maßlosen Geize seine Gattin kaum mit den allernotwendigsten Toilettegegenständen. Frau Julia wiederum in der orientalischen Trägheit ihres abgeschlossenen, untätigen Lebens liebte vor allem betäubende Wohlgerüche, sei es auch nur von gewöhnlichen Räucherkerzen, die sie öfters auf der Kommode anzündete.
Sie hatte aber immer gar kein Geld und ihr Gatte auch nur wenig und dann stets sorgfältig verwahrt. Nur ausnahmweise gab er ihr einen Gulden als Mietsgeld für eine neue Magd.
Daher sann sie unaufhörlich auf allerlei Mittel zur Befriedigung ihrer Leidenschaft für jene Wohlgerüche, die ab und zu die engen, schmutzigen Räume der Wohnung erfüllten.
Auf Budowskis Frage, woher sie das dazu erforderliche Geld genommen, erwiderte sie, ihre Mutter habe ihr einige übriggebliebene Räucherkerzen gegeben.
Julia log mit der ganzen Seelenruhe einer blutarmen Blondine und ihre Stimme veränderte sich dabei nicht einmal.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/177&oldid=- (Version vom 1.8.2018)