In ihr schlummerte eine gewisse Niederträchtigkeit, die sich in träger Flut nach außen ergoß, auf deren Oberfläche aber silberklares Wasser trug.
Meist verständigte sie sich mit ihren Mägden, die den Herrn mit dem Marktgelde betrogen und dann den Gewinn mit der Herrin teilten. Dieser Gewinn war zwar immer nur gering und betrug meist nur einige Pfennige. Julia aber sammelte dieselben geduldig, um nur ihre Neigungen zu befriedigen.
Dabei fühlte sie nicht einmal, wie sehr sie sich erniedrige, wenn sie mit der eigenen Magd eine Gemeinschaft einging, um den eigenen Gatten zu betrügen.
Aufgewachsen wie fast jede Tochter eines Unterbeamten, verlebte sie ihre Kindheit in der verdorbenen Luft eines Winkelpensionates und trug in ihrer schlummernden Seele nicht einen einzigen besseren Trieb und kein einziges Gefühl der eigenen Würde.
Ihr ausschließliches Lebensziel war, zu – heiraten, und als sie endlich einen Mann erwischt, schritt sie mit ihm vom Altar und lebte ohne leitenden Gedanken, indem sie den Gatten doppelt betrog, materiell und moralisch:
Seine Taschen leerend, schleppte sie seinen guten Namen durch die dunklen Winkel eines Romans mit einem jungen, ihr fast unbekannten Studenten.
Zuerst sah sie den auf der Straße.
Eine Zeit lang ging er jeden Sonntag in die Kirche und stellte sich meist ihr gegenüber, um sie schmachtend
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/178&oldid=- (Version vom 1.8.2018)