Biß in die späte Nacht in Büchern emsig seyn,
Bevorab an dem Ort, wo Griechisch und Latein
Aus allen Fenstern raucht, wo Priscian regieret,
Wo ein Orbilius den Bircken-Scepter führet,
Biß daß der iunge Herr schon seinem Dünckel traut,
Und den Palemon selbst mit lautrem Trutz anschaut.
Denn schicket man ihn fort auf hohe Fürsten-Schulen,
Um Kunst und Wissenschaft mit rechtem Ernst zu buhlen,
Zu lernen in der Zeit, womit er wie ein Mann
Bevorab GOtt der Welt, und ihm selbst dienen kan.
Und dieses ist der Ort, wo sich die Jugend übet,
Wo einer GOttes Wort, das hoh Geheimniß liebet:
Ein ander thut das sein, erforschet Tag und Nacht
Was vom Justinian zusammen ist gebracht.
Ein ander, wie es geht, wird von Natur getrieben,
Zu lernen was Galen und Celsus vorgeschrieben.
Ein Theil geht bey der Nacht, will aus den Sternen sehn,
Was über fünfzig Jahr und ferner soll geschehn,
Wiewol es etwan fehlt. Ein ander hat sein Leben
Dem klugen Stagirit und seiner Lehr ergeben.
Ein ander rechnet aus der Winckel Maaß und Zahl
Und sucht den Mittelstrich mit einem spitzen Stahl.
Ein ander und mit ihm der allermeiste Hauffen
Will sich mit aller Macht zu einem Doctor sauffen,
Beut allen Helden trutz. Wer nicht bescheiden thut.
Dem greift er mit der Faust, wie billig, auf den Hut.
Da müssen Gläser, Feur, Taback und Pfeiffen springen.
Des Morgens fordert er dem Feind für seine Klingen.
Heraus, du Hund! Heraus! Versucht denn in der That
All was ihm Maistre Alard für Kunst gezeiget hat
In einem gantzen Jahr. Der ander kan nicht weichen,
Muß mit den Narren fort. Nach vielen blinden Streichen
Wird einem ungefehr die Nas ein wenig wund;
Da sauft man wiederum auf einen neuen Bund.
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)