Sejan that was er wolt, es war kein Widersprechen.
Wer ihm gefiel, der kont den besten Mann ausstechen.
Er theilte Aemter aus. Er setzte auf und ab.
Er schenckte wem er wolt den schwancken Reben-Stab.
Gab Regimenter weg. Er theilte die Vogteyen
Den Land-Verwaltern aus. Es muste dis anscheuen
Der Römer gantze Rath. Diß wehrte seine Zeit.
Biß das von Capreis ein heimlicher Bescheid
Ward in die Stadt gesandt. Sejan war schon verrathen.
Sejanus war verdammt, weiß nicht um was für Thaten.
Man sagte daß er selbst dem Kayser nachgestellt,
Die That war ungewiß. Das Urtheil war gefällt.
Sejanus Bildniß ward vom Hencker abgerissen.
Sejanus ward geschleift, getreten mit den Füssen,
Gehönet, angespeyt, zur Tiber hingebracht.
Diß war der letzte Lohn, die Endschaft seiner Macht.
Hie siehest du, mein Freund, wie auf des Glückes Spitzen,
Auch in dem höchsten Staat, so fährlich ist zu sitzen,
Wie grosser Herren-Gunst so plötzlich bald zerbricht,
Wie leicht ein böser Wurm den grossen Kürbis sticht.
Ich sage von dem Neid: Bevorab so die Herren,
Wenn ein Verläumder spricht, die Ohren weit aufsperren,
Dem Argwohn unterthan, als nach Tyrannen Art;
So ist kein Biedermann bey ihnen lang verwahrt.
Sie fallen plötzlich zu. Kaum ist ein Wort gesprochen;
Es ist sobald geglaubt. Der Stecken ist gebrochen.
Die Unschuld ist in Noth, ja um den Halß gebracht;
Indem der Neider steht und in das Fäustgen lacht.
Ich such das vorig Pfad, davon ich abgegangen
Und sag, daß mancher wünscht mit äusserstem Verlangen,
Was ihm nur schädlich ist, und daß er solches thut,
Dieweil er nicht erkennt, was böß ist oder gut.
Wer aber mit Verstand will für die Seinen sorgen,
Der hält sie dahin nur, daß sie vom frühen Morgen
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/62&oldid=- (Version vom 1.8.2018)