Die Stiefeln auf dem Kopf, ja Schellen vor dem Bauch
Anstatt des Nesselwercks: Ein Teutscher thät es auch.
Wer hätte wohl erdacht, als Narren und Frantzosen,
Bey einem Sammet-Rock die groben Leinwands Hosen?
Wenn selber Heraclit den Plunder solte sehen;
Er ließ, mit Gunst gesagt, für Lachen einen gehen.
Ich sag itzunder nicht von prächtigen Carossen,
Darauf Madame sitzt, vom Regen gantz verschlossen,
Der Sonnen aufgedeckt, die Tochter neben ihr,
Der Kammer-Katzen drey, sechs Rappen oder vier.
Imgleichen meld ich nicht von kleinen Polster-Hunden
Vom Schminck und Puder-Haar, von Pflastern ohne Wunden,
Von aller Kleider-Pracht. Ich ziehe nicht herfür
Das Marmor-steinern Hauß, die Riegel-feste Thür,
Das Gips und Bilderwerck, die Teppich an den Wänden
Und was nach fremder Art mit nicht gemeinen Händen
Ist künstlich ausgeführt, was der gemeine Mann
Nicht, als mit ofnem Maul und Wunder sehen kan.
Wer aber mit Vernunft das Dockenwerck beschauet,
Und nicht den Augen nur in solchem Handel trauet:
Wer neben dieser Pracht auch mercket die Gefahr,
Und nimmt so manchen Fall des hohen Glückes war,
Dem kommt ein Schrecken an; gleichwie wir furchtsam stehen,
Und auf den hohen Thurm den kühnen Decker sehen.
Nicht einer klimmt ihm nach, wir dancken GOtt allein,
Daß wir der Erden nah und an dem Boden seyn.
Als Rom zur Dienstbarkeit sich nunmehr schon bekannte
Und ehrte seinen Herrn, der sich von Tiber nannte,
Da herrschte neben ihm der mächtige Sejan
Fast seinem Kayser gleich, war niemand unterthan.
Sejan ward hoch geehrt. Sejan ward angebeten.
Die Grössesten der Stadt durft er mit Füssen treten.
Er war des Glückes Sohn, für allen hoch gestellt,
Sejan, des Kaysers Freund, das nechste Haupt der Welt.
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/61&oldid=- (Version vom 1.8.2018)