„Den ganzen kosakischen Ruhm hast du mit deinen bloßen Worten in die ärmliche Hütte der Waisen eingeführt.“ So sagte Schewtschenko in dem Huldigungsgedichte an Kotljarewskyj, den populären Dichter der ukrainischen „Aeneis“, und dieses Lob kann mit noch größerm Recht auf Schewtschenko selbst bezogen werden.
Man kann wohl in Frage stellen, ob es europäischen Boden gibt, der für volksepisches Schaffen mehr geeignet ist als die Ukraine, es wären denn die südslawischen Länder, besonders Montenegro und die Herzegowina. Das ungeheure Steppenland von der Donau bis zum Don wurde der Schauplatz einer der interessantesten sozialpolitischen Erscheinungen im östlichen Europa, denn hier bildete sich im Laufe der Zeit eine Kosakenrepublik, die ihr Zentrum an den Schnellen oder Katarakten (porohy) des Dniprós südöstlich von Kiew hatte. Diese kriegerische Gesellschaft war sozusagen ein Militärorden, ein Gegenstück zu dem Bunde der deutschen Ritter in Marienburg. Um in diese kriegerische Gesellschaft aufgenommen zu werden, bedurfte es nur, daß man sich zum orthodoxen Glauben bekenne, daß man frei (d. h. kein Kriegs- oder Bauernsklave) sei und außerdem unverheiratet, denn Frauen waren auf diesem kriegerischen Athos nicht geduldet. Die Saporoger hatten ihr befestigtes Hauptlager (Ssitsch) auf einer der Dnipróinseln, weitere wichtige Lager waren die auf der Insel Chortytzja an der Mündung des Tschertomlyk. Noch im XVIII. Jahrhundert spielen die Saporoger eine hervorragende Rolle in der osteuropäischen Geschichte; ihre Streifzüge zu Wasser und zu
Alfred Anton Jensen: Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Adolf Holzhausen, Wien 1916, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taras_Schewtschenko._Ein_ukrainisches_Dichterleben._Von_Alfred_Jensen_(1916).djvu/124&oldid=- (Version vom 7.10.2018)