Heidelberg die Rechte studiert und in die Dienstgeschäfte sich eingearbeitet hatte, wurde er im Mai 1788, siebenundzwanzigjährig, zum Amtsnachfolger seines Vaters bestellt. Einen Monat später führte er seine Braut zum Altare; an der Stätte, wo sie die heilige Taufe empfangen hatte, wurde sie am 16. Juni 1788 ihm zur Gattin angetraut. Die Namen des kurpfälzischen Hofgerichtsrats Stockmar und des Professors der Medizin Zuccarini aus Heidelberg, als Zeugen der Trauung, sind in das Kirchenbuch von Neunkirchen eingetragen. Und so zog die junge neunzehnjährige Frau ein in das freundliche Neckarelz, wo die liebliche Elzbach aus den Bergen dem Neckar sich vereint, wo altehrwürdiges Bauwerk noch heute von den Tagen der Tempelherren redet und die Kulturerinnerung bis zu den Zeiten der Römer hinaufreicht. Auch Goethe hat einmal in Neckarelz geweilt, mit Sulpiz Boisseree, 1815, auf der Heimfahrt begriffen, und die Seele noch erfüllt von der Schönheit der altdeutschen Bilder, die er in Heidelberg gesehen hatte.
Das Amtshaus in Neckarelz war reizend gelegen und gewährte die Aussicht auf den Lauf des Stromes. Ein grosser Garten umhegte es, in dem Frau Pattberg nach ihrem Geschmacke die schönsten Anlagen einrichten liess. Sie war eine Blumenfreundin, namentlich die Rosen liebte sie, und über den ganzen Garten hin pflanzte sie Rosenlauben an, die, wenn der Frühling kam, die duftende Pracht ihrer Blüte entfalteten. Wie wechselvoll die Zeiten auch die äusseren Verhältnisse ihrer Heimat gestalteten: drei Jahrzehnte hindurch hat sie ungestört hier walten können. Für das Wohl der Ihrigen in nie ermüdender Sorge thätig zu sein, sah sie als deutsche Frau für die höchste ihrer Pflichten an. Allen geistigen Interessen fuhr sie fort ein offenes, empfängliches Gemüt entgegenzubringen. Sie war freundlich und hilfreich gegen Jedermann, zumal den Armen und Kranken in Neckarelz ein wahrer Segen. Die ungesuchte Gastlichkeit, die sie gegen Freunde und Bekannte zu üben wusste, war weit und breit bekannt, und manche bedeutende Männer sind im Laufe der Jahre zum Besuch in ihrem Hause erschienen.
Ihr Gatte schritt in seiner Laufbahn stetig vorwärts. Noch unter dem Kurfürsten Karl Theodor zum Keller und Zollschreiber in Neckarelz ernannt, wurde er, als 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluss die kurpfälzischen Ämter Mosbach und Boxberg an das Fürstentum Leiningen kamen, in Leiningische Dienste übernommen, als Justizbeamter und Amtskeller in Neckarelz bestätigt und vom Fürsten Karl Friedrich Wilhelm zu Leiningen mit dem Charakter und Range eines wirklichen Hofgerichtsrats,
Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)