geistige Zukost. In diesem Sinne suchte sie auch auf ihre Kinder einzuwirken, die sie mit rechter Liebe und Sorgfalt erzog. Sie hatte ausser der Tochter noch zwei ältere Knaben. Von diesen hat einer, Johann Franz von Kettner († 1839), der zunächst der Amtsnachfolger seines Vaters wurde, nachmals dem badischen Staate als oberster Chef des Forstwesens in einflussreicher Stelle gedient, und ist wie sein Sohn, der badische Oberjägermeister Franz Wilhelm von Kettner († 1874), auf forst- und volkswirtschaftlichem Gebiete als Schriftsteller aufgetreten. Auch Auguste von Kettner war litterarischer Sinn und poetische Begabung wie ein freundliches Muttererbe zugefallen.
In dieser Sphäre also wuchs sie auf, umhegt von fröhlicher, bedeutungsvoller Natur: sie selbst ein Bild jugendlicher Schönheit. Die Gesichtsfarbe zart und mit blühendem Rot geschmückt; blaue Augen und lange weissblonde Locken. Ihre liebsten Kameraden waren die Brüder. Sie lernte von ihnen, wie der beste Schütze, die Büchse zu führen. Mit ihnen ritt sie bergauf, bergab, um die Wette, und die Freude war gross, wenn sie zuerst das Ziel erreichte. Alle Pfade des Odenwaldes, seine Burgen und Schlösser wurden ihr vertraut. Sie lauschte den Sagen aus früherer goldner Zeit. Den Leuten des Volkes sang sie ihre schlichten, innigen Lieder nach. An Sonn- und Festtags-Abenden schaute sie den Jünglingen und Mädchen zu, die sich unter den laubigen Ästen der Dorflinde zu Spiel und Tanz versammelten. Sie selbst fing schon als Kind an Gedichte zu machen, mit denen sie die Ihrigen an festlichen Tagen beschenkte, und diese Gabe ist ihr ebenso wie die Frische ihrer Erscheinung bis in das hohe Alter treu geblieben. Während sich von ihren Schilderungen der Heimat, ihren Sagen und Volksliedern so manches bei dem damals neu erwachten Streben der Zeit, zu retten und zu sammeln, erhalten hat, sind ihre Gelegenheitsgedichte aus der früheren Zeit, wie es scheint, fast alle verloren gegangen. Erst später hat sie einige Bändchen drucken lassen, und manches Jägerliedchen von ihr ist in die damaligen Forst- und Jagdjournale aufgenommen worden.
Ihre Liebe schenkte und bewahrte sie einem Gespielen der Kindheit, welcher einst zu ihr gesagt hatte: „Wenn wir gross geworden, wirst du meine Frau.“ Es war Arnold Heinrich Joseph Pattberg, aus dem nahen Neckarelz, der Sohn einer der ihrigen eng befreundeten Familie, die gleichfalls dem alten kurpfälzischen Beamtenstande angehörte. Sein Vater, Christian Pattberg, war seit 1762 Amtskeller, d. i. erster Verwaltungs- und Justizbeamter, in Neckarelz und erhielt 1778 den Titel eines kurpfälzischen Hofgerichtsrates. Als Arnold Heinrich in
Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)