Frau Auguste Elisabeth Pattberg gehört mit ihrem ganzen Leben und Dasein dem Odenwalde an. Den 24. Februar 1769 wurde sie zu Neunkirchen bei Aglasterhausen geboren. In weiter Krümmung umspannt der Neckar dort den von der Neunkircher Höhe beherrschten Gau mit seinen Burgen und Ruinen, Flecken, Dörfern und Städten. Eine glückliche Abgeschiedenheit hatte dem fränkischen Volksstamme, der hier seit Väterzeiten seine Sitze hat, die alte deutsche Art mit ihrer sinnigen Freude an ehrwürdig-hergebrachten Sitten und festlichen Gebräuchen vor dem zerstörenden Eindringen moderner Beglückungs-Ideen gerettet. Die vornehmen Familien, die zum Teil seit Jahrhunderten immer über dieselben Bezirke ihren wohlthätigen Einfluss breiteten, erwiesen sich als ein fester, allgemein verehrter Hort alter patriarchalischer Herzlichkeit. Sie gingen führend mit dem Volke und bewahrten sich in schlichter Lebenshaltung das Verständnis seiner Eigenart. Geist, Kunstsinn und frohe Gastlichkeit war unter ihnen heimisch. Aus einem solchen Familien-Verbande ist Frau Auguste Pattberg hervorgegangen.
Ihr Geburtsort Neunkirchen mit Heidelberg als dem Sitze der Regierungsgewalt unterstand damals dem Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz und wurde erst Jahrzehnte später dem Badischen Staatswesen angegliedert. Der Vater, Engelhard Wilhelm Kettner, war Forstmeister zu Neunkirchen, Mosbach und Dilsberg und bewohnte als solcher ein Karl Theodor gehöriges Jagdschlösschen bei Neunkirchen. Durch seine Gemahlin, Maria Magdalena Franziska geborene von Krone, eine Schwester des Heidelberger Oberpolizeimeisters Franz von Krone, war er mit anderen massgebenden Familien verschwägert. Zu den Freunden des Hauses zählten viele kurpfälzische Beamte, insbesondere auch der Oberjägermeister Friedrich Ferdinand Sittich von Hacke. Der Beamtenadel der Familie Kettner wurde 1793 von Karl Theodor als Reichsadel anerkannt und bestätigt. Die Familie erwarb späterhin von Ludwig von Stockmar das Dorf Reichartshausen, Amts Bischofheim, als grundherrliche Besitzung, wo sie weiter geblüht hat und noch blühen mag.
Angehörige der Familien von Hacke und von Krone hoben das kleine Gustel, so hiess sie bei den Ihrigen, aus der Taufe, die sie in der katholischen Pfarrkirche zu Neunkirchen empfing. Sie wuchs als der Liebling des Hauses heran. Ihre Mutter, eine gemütvolle, feingebildete Frau, wusste der Führung ihres Hauswesens einen höheren Zug zu geben. Den Wert des täglichen Brotes veredelte sie durch
Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)