in der Stille ausrechnete, was er an seiner Baumwolle gewinnen könnte, wenn der Zentner um 10 Gulden aufschlüge, ergriff ihn sachte am Mantel, und bat ihn treuherzig um Excüse. „Das muß wohl auch ein guter Freund von euch gewesen seyn, sagte er, dem das Glöcklein läutet, daß ihr so betrübt und nachdenklich mitgeht.“ Kannitverstan! war die Antwort. Da fielen unserm guten Duttlinger ein paar große Thränen aus den Augen, und es ward ihm auf einmal schwer und wieder leicht ums Herz. Armer Kannitverstan, rief er aus, was hast du nun von allem deinem Reichthum? Was ich einst von meiner Armuth auch bekomme: ein Todtenkleid und ein Leintuch, und von allen deinen schönen Blumen vielleicht einen Rosmarin auf die kalte Brust, oder eine Raute. Mit diesen Gedanken begleitete er die Leiche, als wenn er dazu gehörte, bis ans Grab, sah den vermeynten Herrn Kannitverstan hinabsenken in seine Ruhestätte, und ward von der holländischen Leichenpredigt, von der er kein Wort verstand, mehr gerührt, als von mancher deutschen, auf die er nicht acht gab. Endlich gieng er leichten Herzens mit den andern wieder fort, verzehrte in einer Herberge, wo man Deutsch verstand, mit gutem Appetit ein Stück Limburger Käse, und, wenn es ihm wieder einmal schwer fallen wollte, daß so viele Leute in der Welt so reich seyen, und er so arm, so dachte er nur an den Herrn Kannitverstan in Amsterdam, an sein großes Haus, an sein reiches Schiff, und an sein enges Grab.
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/165&oldid=- (Version vom 1.8.2018)