Wenn der dunkle Neumond je zuweilen in seinem Lauf gerade zwischen die Erde und die Sonne hineinrükt, nicht höher und nicht tiefer, so können wir vor ihm am hellen Tag die Sonne nimmer sehen, oder doch nicht ganz, und das ist alsdann eine Sonnenfinsterniß, die Sonnenfinsterniß kann nur im Neumond Statt finden. Wenn aber im Vollmond die Erde gerade zwischen die Sonne und zwischen den Mond hineintritt, nicht höher und nicht tiefer, so kann die Sonne nicht ganz an den Vollmond scheinen, weil die Erde ihren Stralen im Wege steht. Dies ist alsdann die Mondsfinsterniß. Die Dunkelheit, die wir am Mond erbliken, ist nichts anders als der Schatten von unserer eignen Erde, und ein solches Exempel am Mond kann nur im Voll-Licht statuirt werden. Alle diese Finsternissen nun, die einzig von der Bewegung des Monds und der Erde herrühren, wissen wir Sternseher und Calendermacher ein ganzes Jahr, und wer’s verlangt, auf weiter hinaus vorher zu sagen, und der Hausfreund gibt jezt wenig gute Worte mehr, wenn einer kommt, der nicht glauben will, was bisher von den Himmelslichtern gesagt worden ist, und ferner soll gesagt werden. „Woher wißt ihr, fragt der vorsichtige Leser, daß die Sonne und der Mond so groß ist, oder so, so weit oder so nahe; und daß sich die Erde und der Mond auch ganz gewiß so bewegen, wie’s euch vorkommt? Wer ist dort gewesen und hat’s gemessen? Antwort: Wenn wir das nicht gewiß wüsten und auf das Haar, so könnten wir nicht auf ein ganzes Jahr, und wer’s verlangt, auf weiter hinaus eine Finsterniß voraussagen, auf welchen Tag, ja auf welche Minute sie anfängt, und wie tief sie sich in
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/088&oldid=- (Version vom 1.8.2018)