Richtungen dahin, und ereilen ihre fliehende Beute, oder retten ihr verfolgtes Leben? Mit welcher leichten Biegsamkeit wenden sie sich zwischen und über und unter den tausend Hindernissen durch, die ihrem Laufe überall im Wege liegen? Wer hat über den ganzen Körper hinab Schild an Schild und Schuppe an Schuppe gereiht und übereinander gelegt, daß sie bey jeder Bewegung in der größten Geschwindigkeit ausweichen, nachgeben, sich über einander schieben, und doch den zarten Körper bedecken, und allemal wieder in ihre vorige Lage zurückkehren? Wer hat sie mit der Schönheit und Mannigfaltigkeit ihrer Farben geziert? In Amerika wird eine Schlange mit rothen, schwarz eingefaßten Flecken, und citronengelben Querstreifen wegen ihrer ausnehmenden Schönheit zum Staat als Halsschmuck getragen, oder in die Haare geflochten. Auch von unsern Schlangen sind manche, zumal wenn sie sich noch nicht lange gehäutet haben, an Farbe und Zeichnungen schön, wenn man sie nur ohne Furcht und Abscheu betrachten kann.
Aber wenn wir nur erst die gefährlichen unter ihnen kennten! Ein gelehrter Beobachter dieser Thiere hat folgende allgemeine Kennzeichen angegeben, die leicht zu merken sind. Wenn der Kopf breit, und mit dünnen Schuppen besetzt ist, so ist die Schlange verdächtig; wenn er aber mehr rund ist, so ist sie’s nicht. Ferner, wenn sich das Ende des Körpers fein zuspitzt, so ist nicht zu trauen; ist es aber stumpf und abgerundet, so hat man keine Gefahr. Doch giebt er diese Kennzeichen selber nicht für ganz untrüglich aus, und das beste an der Sache ist das, daß wir
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/040&oldid=- (Version vom 1.8.2018)