noch keine Million, sondern erst 730 000 Striche, und erst am 26. September des dritten Jahrs würdet ihr zu Ende kommen. Aber unser Eichenwald hätte 625 solcher Millionen, und so wäre es bey jeder andern Art von Pflanzen nach Proportion in noch viel kürzerer Zeit, ohne an die zahlreiche Vermehrung durch Augen, Wurzelsprossen und Knollen zu gedenken. Wenn man sich also einmal über diese große Kraft in der Natur gewundert hat, so hat man sich über den großen Reichthum an Pflanzen aller Art nicht mehr zu verwundern. Obgleich viele 1 000 Kerne und Körnlein alle Jahre von Menschen und Thieren verbraucht werden, viele Tausend im Boden ersticken, oder im Aufkeimen durch ungünstige Witterung und andere Zufälle wieder zu Grunde gehen, so bleibt doch Jahr aus Jahr ein, ein freudiger und unzerstörbarer Ueberfluß vorhanden. Auf der ganzen weiten Erde fehlt es nirgends an Gesäme, überall nur an Platz und Raum.
Aber wenn jeder reife Kern, der sich von seiner Mutterpflanze ablöset, unter ihr zur Erde fiele und liegen bliebe; alle lägen auf einander, keiner könnte gedeihen, und wo vorher keine Pflanze war, käme doch keine hin. Das hat die Natur vor uns bedacht, und nicht auf unsern guten Rath gewartet. Denn einige Kerne, wenn sie reif sind, fliegen selbst durch eine verborgene Kraft weit auseinander, die meisten sind klein und leicht, und werden durch jede Bewegung der Luft davon getragen, manche sind noch mit kleinen Federlein besetzt, wie der Löwenzahn (Schlenke, Kettenblume) Kinder blasen sie zum Vergnügen
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/035&oldid=- (Version vom 1.8.2018)