fruchtbare Erde hingefallen ist, ansäet und mit Gras, Kräutern, Stauden, und Buschwerk besetzt. Das sieht man oft und achtets nicht, eben weil man es von Kindheit an so oft sieht; die größte Weisheit verrathet sich in der einfachen und natürlichen Einrichtung der Dinge, und man erkennt sie nicht, eben weil alles so einfach und natürlich ist.
Die meisten Pflanzen haben eine wunderbare Vermehrungskraft, wie jeder aufmerksame Landwirth wohl weiß. Tausend Saamenkerne von einer einzigen Pflanze, so lange sie lebt, ist zwar schon viel gesagt, nicht jede tragts, aber es ist auch noch lange nicht das höchste. Man hat schon an einer einzigen Tabackspflanze 40 000 Körnlein gezählt, die sie in einem Jahre zur Reife brachte. Man schätzt einer Eiche, daß sie 500 Jahre leben könne. Aber wenn wir uns nun vorstellen, daß sie in dieser langen Zeit nur 50mal Früchte trage, und jedesmal in ihren weit verbreiteten Aesten und Zweigen nur 500 Eicheln, so liefert sie doch 25 000 wovon jede die Anlage hat, wieder ein solcher Baum zu werden. Gesetzt, daß dieses geschehe, und es geschehe bey jeder von diesen wieder, so hätte sich die einzige Eiche in der zweiten Abstammung schon zu einem Walde von 625 Millionen Bäumen vermehrt. Wieviel aber eine Million oder 1 000 mal 1 000 sey, glaubt man zu wissen, und doch erkennt es nicht jeder. Denn wenn ihr ein ganzes Jahr lang vom 1. Jenner bis zum 31. Dec. alle Tage 1 000 Striche an eine große Wand schreibet, so habt ihr am Ende des Jahrs noch keine Million, sondern erst 365 000 Striche, und das zweite Jahr
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/034&oldid=- (Version vom 1.8.2018)