räthselhaften Stein in der Tasche stand unter den Zuschauern eben auch da, und erkannte seinen Beleidiger. Jetzt fuhr er schnell mit der Hand in die Tasche; jezt griff er nach dem Stein; jetzt hob er ihn schon in die Höhe, um ihn wieder nach seinem Beleidiger zu werfen, und wie von einem guten Geist gewarnt, ließ er ihn wieder fallen, und gieng mit einem bewegten Gesicht davon.
Daraus kann man lernen: Erstens man soll im Glück nicht übermüthig, nicht unfreundlich und beleidigend gegen geringe und arme Menschen seyn. Denn es kann vor Nacht leicht anders werden, als es am frühen Morgen war, und „wer dir als Freund nichts nutzen kann, der kann vielleicht als Feind dir schaden“. Zweitens, man soll seinem Feind keinen Stein in der Tasche, und keine Rache im Herzen nachtragen. Denn als der arme Mann den seinen auf die Erde fallen ließ und davon gieng, sprach er zu sich selber so: „Rache an dem Feind auszuüben, so lange er reich und glücklich war, das war thöricht und gefährlich; jetzt wo er unglücklich ist, wäre es unmenschlich und schändlich.“
Ein anderer meinte, es sey schön, Gutes zu thun an seinen Freunden, und Böses an seinen Feinden. Aber noch ein anderer erwiederte: das sey schön, an den Freunden Gutes zu thun, und die Feinde zu Freunden zu machen.
Es ist doch nicht alles so uneben, was die Morgenländer sagen und thun.
Einer, Namens Lockmann, wurde gefragt, wo er
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/017&oldid=- (Version vom 1.8.2018)