leidenschaftlicher war als Worte, mit einem Lächeln, das unzählige Küsse, Verheißungen und unendliches Verlangen barg, voll von jenem Toben des Blutes und voll von dem, was unfaßbar ist, heilig und berauschend, was gleichsam der Duft im Gebet versunkener Seelen ist.
Betsy umfing oft seinen Kopf mit einem küssenden Blicke, und wendete, auch wenn er sie nicht dabei ertappte, doch ihre Augen ab, als hätte man sie gescheucht, – ihre Augen, in denen süße Tränen der Rührung standen; er drückte leidenschaftlich ihren Arm und sog sich mit raublustigen Augen an ihren flammenden Lippen fest.
Zuweilen irrte irgend ein Ton, der nicht Wort und auch nicht Sprache war, zwischen ihnen mit schleichendem und doch so verständlichem Zittern hin und her, daß sie ihre Arme fester aneinander preßten, ihre Köpfe einander zusenkten, schwer atmeten und für einen Augenblick unbewußt stehen blieben, in der berauschenden Seligkeit des sich beieinander Fühlens.
„Lange schon sehnte ich mich nach einem solchen Augenblick, ich wartete auf ihn,“ sprach er laut.
„Und ich träumte jeden Tag von ihm,“ flüsterte sie so leise, daß er diese Worte eher mit den Augen von ihren Lippen haschte, als daß er sie hörte.
Sie betraten den Trafalgar-Square, als der Nebel, der bis dahin wie eine erstarrte Wolke unbeweglich in der Luft gehangen hatte, sich plötzlich wie ein vom Orkan gepeitschtes Meer zu wiegen anfing, aufzuschäumen und in Fetzen zu zerreißen. Er ergoß sich in Kaskaden, floß in Wellen dahin und fiel in grauem, undurchdringlichem
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/039&oldid=- (Version vom 1.8.2018)