Wunder, einem unverständlichen, geheimnisvollen, aber einem Wunder, das mit lebendigen Augen gesehen wurde.
Alle fühlten sich am Rande des Unerkennbaren hängend, wie in den Tiefen des Werdens selbst und eines nie gedachten Seins und jener Dinge, die der Menschen blinde Augen nie verstehen werden.
Versunken war jede Erinnerung des Erdenlebens, aller Erdenstaub war von den Seelen gewichen, jeder Gedanke zu Asche verbrannt, so daß sie einzig und allein im Keime des Seins selbst verblieben, vor dem sich alle Geheimnisse enthüllen; denn, siehe, dort, einige Schritte von ihnen entfernt, schwebten zwei leuchtende Gestalten, und das unfaßbare Wunder währte … Die Schatten zeichneten Umrisse, bildeten einen Rahmen, in dem die Lichterscheinungen um so deutlicher strahlten, wie Säulen von erstorbenen Funken, die sich von Ort zu Ort bewegten, ohne jedes Geräusch und in solchem Schweigen, daß alle das beschleunigte Schlagen ihrer eignen Herzen hörten.
Langsam, in einem ungreifbaren Augenblick, begannen die Visionen zu erblassen, zu erlöschen, unsichtbar zu werden, wurden sie von der Dunkelheit aufgesogen; die Köpfe nur blieben etwas länger sichtbar, wie Lichtblumen, von Schattenwellen geschaukelt, stets waren sie beieinander; mit zögernden, zitternden Bewegungen fortwallend, verschwanden sie auf Augenblicke in zerstiebenden Lichtgarben und tauchten wieder auf, aber jetzt schon blasser, verschwindender, durchsichtiger, nebligen Gestalten auf Glasbildern vergleichbar; noch leuchteten die Augen mit der früheren Kraft, dem früheren Leben, doch schon verschwammen
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/019&oldid=- (Version vom 1.8.2018)