ihrer Gestalt, sogar die Farbe ihrer Haare, die ihnen so gut bekannt war. Sie waren der tiefsten Überzeugung, sie selbst stehe dort in dem sanften Lichte der Ausstrahlungen, wie in einer lichten Wolke.
Sie neigte sich über den Schlafenden, als wolle sie ihm etwas ins Ohr flüstern, und er erhob sich und reichte ihr mit einem nicht in Worte zu kleidenden Lächeln die Hand; und plötzlich zerfiel er wie ein vom Blitzstrahl gespaltener Baum in zwei Personen … Er saß in der früheren Haltung, den Kopf auf die Lehne des Stuhles gesenkt, und stand zugleich in zweiter Person gebückt vor ihr.
Ein Schrei der Verblüffung entfuhr allen, erstarb aber sofort, denn plötzlich ging die Tür des runden Zimmers auf, und man erblickte Daisy, die auf dem Sofa lag. Ihre beiden Körper lagen in tiefem Schlafe, und gleichzeitig bewegten sich gerade vor ihnen in der Dunkelheit zwei Erscheinungen, zwei Gespenster oder zwei Seelen, in sichtbare Gestalt gehüllt, von Licht überflutet, – Spiegelbilder gleichsam von Daisy und Zenon.
Wie lange das währte? … Einen Augenblick, oder eine Ewigkeit … Das wußte niemand, niemand dachte darüber nach, niemand konnte es verstehen.
In heilige Verzückung verfielen die Seelen, und alle knieten sie da im heiligen Grauen des Wunders …
In diesem heiligen Augenblick der Gnade hatte Isis den Saum des Vorhangs vor denen gelüftet, die nach dem Lichte verlangten, die Träume wurden mehr denn Wirklichkeit, denn sie wurden zu einem
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/018&oldid=- (Version vom 1.8.2018)