er sich, seiner Herrin seine Liebe in gleißenden Worten zu verraten und sie aufzufordern, ihres abwesenden Gemahles nicht mehr zu gedenken.
Da wurde Genovefa so entrüstet, daß sie einen Eid leistete, sie würde es gewiß ihrem Herrn berichten, wofern er noch ein einziges mal in solcher Weise sich ihr zu nahen suche.
Von da an verwandelte sich Golos unlautere Zuneigung zu seiner Herrin in Haß. Er hatte nur noch den einen Gedanken, wie er sich an der Gräfin rächen könnte.
Wie er nun lange Zeit auf ihr Thun und Lassen fleißig Achtung gegeben hatte, so vermerkte er endlich, daß sie dem Koche Dragones, welcher in seiner Einfalt ein sehr frommer und andächtiger Mann war, sehr wohl wollte.
Die Gräfin erzeigte sich dem gottseligen Menschen mehr als anderen bei Hofe gewogen, wie sie denn überhaupt allen frommen Leuten zugethan war.
So oft Dragones vorüberging, sprach sie ihn an. Wo sie ihm einen Gefallen thun oder in einer Widerwärtigkeit trösten konnte, da geschah es.
Aber die Hochachtung oder die ehrbare Liebe, die sie dem kindlichen Dragones so gern bewies, legte der falsche Golo in seinem Sinne aus und hoffte alsbald, deshalb bei dem Grafen eine Anklage gegen die Gräfin vorbringen zu können.
Zuerst sagte er seinen vertrautesten Freunden, daß das Verhalten der Gräfin gegen den Koch verdächtig wäre. Er meinte auch, sie sollten nur aufmerken, wie sie demselben mit Worten gar freundlich begegne, wenn er vorüberginge, so würden sie sich wohl bald klar machen können, was von dieser Vertraulichkeit zu halten sei.
So brachte denn Golo nach und nach die Gräfin bei etlichen ihrer Diener in Verdacht. Sie hatten keine Ahnung von Golos heimlichen Anschlägen gegen des Grafen Gemahlin, und sie bedachten auch nicht, daß gerade die Offenheit all ihres Thuns ihre Lauterkeit und Unschuld bekundete. Da sagte Golo eines Tages dem Koche Dragones heimlich, die Gräfin begehre seiner auf ihrem Zimmer. Als nun der arme Tropf solches glaubte und die Gräfin auch dort einige huldvolle Worte an ihn richtete, so kam
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/157&oldid=- (Version vom 1.8.2018)