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Seite:Philosophie der symbolischen Formen erster Teil.djvu/176

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es ganz oder teilweise von ihr betroffen wird, bezeichnet – und selbst die im engeren Sinne lokalen Kasus lassen sich diesem Schema einreihen, sofern sich in ihnen, neben ihrem spezifisch-örtlichen Sinn zugleich ein allgemeines Verhältnis ausdrückt, in welchem der Substantivbegriff zum Verbalbegriff steht[1]. Aber wenn, von hier aus gesehen, der logisch-grammatische Sinn gegenüber dem räumlich-anschaulichen leicht als das πρότερον τῇ φύσει erscheinen kann, so führen doch andererseits erkenntniskritische wie sprachgeschichtliche Erwägungen notwendig darauf, in diesen letzteren das eigentliche πρότερον πρὸς ἡμᾶς zu erkennen. Die Vorherrschaft der räumlichen Bedeutung gegenüber der grammatisch-logischen macht sich in der Tat um so stärker geltend, je mehr man die Sprachen berücksichtigt, die in der Bildung der „Kasusformen“ die größte Fruchtbarkeit entfaltet haben. Neben den amerikanischen Eingeborenensprachen[2] sind es vor allem die Sprachen des ural-altaischen Kreises, die in dieser Hinsicht allen anderen voranstehen. Aber gerade sie haben es zur Bildung der drei „eigentlich-grammatischen“ Kasus nicht gebracht, so daß die Verhältnisse, die im Indogermanischen durch den Nominativ, Genitiv und Akkusativ ausgedrückt sind, hier lediglich durch den Zusammenhang angedeutet werden. Ein eigentlicher Nominativ als Subjektskasus fehlt, auch der Genitiv findet entweder gar keinen formellen Ausdruck oder er wird durch eine reine „Adessivform“, die nichts als die örtliche Anwesenheit bezeichnet, vertreten. Um so üppiger aber wuchern hier die Ausdrücke für die rein räumlichen Bestimmungen. Neben den Bezeichnungen des Orts als solchen findet sich die größte Mannigfaltigkeit und Präzision in den besonderen Bezeichnungen für die Stelle eines Dinges oder für die Richtung einer Bewegung. Es entstehen auf diese Weise allative und adessive, inessive und illative, translative, delative und sublative Kasus, durch welche die Ruhe im Innern des Gegenstandes, das Sein bei ihm, das Hineinlangen in ihn, das Hervorgehen aus ihm u. s. f. zur Darstellung kommen[3]. „Diese Sprachen“ –


  1. [1] Vergl. hrz. die Darstellung der indogerman. Kasuslehre bei Delbrück, Vergl. Syntax I, 181 ff.
  2. [2] Zur „Kasusbildung“ der amerikanischen Sprachen s. z. B. die Zusammenstellung aus der Eskimosprache, die Thalbitzer (in Boas’ Handbook I, 1017 ff.) gibt: hier wird u. and. ein Allativ, Lokativ, Ablativ, Prosekutiv unterschieden. Gatschets Grammatik der Klamath-Sprache unterscheidet einen „Inessiv“ und „Adessiv“, einen „Direktiv“ und „Prosekutiv“ sowie eine Fülle anderer Bestimmungen, deren jede durch eine besondere örtliche Kasusendung zum Ausdruck kommt (a. a. O., S. 479 ff., 489).
  3. [3] S. hrz. bes. das sehr reichhaltige Material bei H. Winkler, Das Uralaltaische und seine Gruppen (bes. S. 10 ff) und den Abschnitt „Indogermanische und uralaltaische [161] Kasus“ in Uralaltaische Völker und Sprachen, Berlin 1884, S. 171 ff., vgl. auch Grunzel, Vergl. Grammat. der altaischen Sprachen, S. 49 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/176&oldid=- (Version vom 9.10.2022)