so beschreibt Fr. Müller das geistige Verfahren, das hier zugrunde liegt – „bleiben beim Objekt einfach nicht stehen, sondern sie dringen, möchte man sagen, in das Innere des Objekts ein und bringen das Innere zum Äußeren, das Obere zum Unteren desselben in einen förmlichen Gegensatz. Durch Kombinierung der drei Verhältnisse: Ruhe, Bewegung gegen den Gegenstand und Bewegung vom Gegenstande weg mit den Kategorien des Innen und Außen und in einigen Sprachen des Oben, entsteht eine Menge von Kasusformen, für die unseren Sprachen ganz das Gefühl mangelt und die wir auch infolgedessen in adäquater Weise wiederzugeben nicht imstande sind[1].“ Für die Nähe, in der dieser rein anschauliche Ausdruck der Kasusverhältnisse sich noch zum bloß sinnlichen Ausdruck hält, ist es hierbei bezeichnend, daß bei aller Feinheit in der Differenzierung der räumlichen Verhältnisse diese selbst noch durchweg durch substantivische Stoffworte wiedergegeben werden.
Freilich schließt der Ausdruck der Richtung und der Richtungsunterschiede, so sinnlich er sich in der Sprache immer gestalten mag, gegenüber dem bloßen Ausdruck des Seins, des Verharrens an einem Orte, doch stets ein neues geistiges Moment in sich. Ähnlich wie die Raumsubstantiva dienen in vielen Sprachen auch Raumverba zur Bezeichnung der Verhältnisse, die wir durch Präpositionen wiederzugeben pflegen. Humboldt, der diesen Gebrauch im Kawi-Werk durch Beispiele aus dem Javanischen verdeutlicht, fügt hinzu, daß sich darin, gegenüber der Anwendung der Raumsubstantiva, ein feinerer Sprachsinn zu bekunden scheine, da der Ausdruck einer Handlung sich von aller stofflichen Beimischung schon freier halte, als dies in der Bezeichnung durch ein bloßes Dingwort der Fall sei[2]. In der Tat beginnen hier im Gegensatz zu dem substantivistischen Ausdruck, dem stets etwas Starres eignet, die Raumverhältnisse gleichsam flüssig zu werden. Der selbst noch ganz anschauliche Ausdruck einer reinen Aktion bereitet den künftigen gedanklichen Ausdruck der reinen Relationen vor. Wieder knüpft hier zumeist die Bestimmung an den eigenen Körper an, aber es sind jetzt nicht mehr seine einzelnen Teile, sondern seine Bewegungen, es ist gewissermaßen nicht mehr sein bloßes materielles Sein, sondern sein Tun, worauf sich die Sprache stützt. Auch sprachgeschichtliche Gründe
Kasus“ in Uralaltaische Völker und Sprachen, Berlin 1884, S. 171 ff., vgl. auch Grunzel, Vergl. Grammat. der altaischen Sprachen, S. 49 ff.
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/177&oldid=- (Version vom 9.10.2022)