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Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/45

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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

da sie, wenn sie auch nicht von derselben Vorstellung (vom Wesen der Tugend) ausgingen, doch zu demselben Ziele hinstrebten. 168 Denn Abraham, der älteste von ihnen, brauchte die Belehrung als Führerin auf dem Wege, der zur Sittlichkeit führt, wie wir es in anderen Schriften so gut wie möglich zeigen werden, Isaak, der Mittlere, die nur sich selbst gehorchende und aus sich selber lernende natürliche Begabung, Jakob, der Dritte, aber die eifrigen Übungen, die die Anstrengungen im Wettstreit und Kampf mit sich bringen. 169 Da es nun drei Charakteranlagen gibt, aus denen Weisheit entsteht, so folgt daraus, daß die Extreme möglichst miteinander verbunden werden mußten. Denn die durch Übung erworbene Weisheit ist ein Nachkömmling der durch Lehre erworbenen, die durch natürliche Anlage entstandene ist mit ihr zwar verschwistert – denn sie liegt ja als Wurzel allen Dingen zugrunde –, hat aber ein unbestreitbares und entschiedenes Vorrecht erhalten. 170 Daher wird ganz richtig der durch Lehre sich vervollkommnende Abraham Vater Jakobs, des durch Übung Geschulten, genannt, nicht der Mensch Abraham Vater des Menschen Jakob, sondern vielmehr die hörende, zum Lernen ganz bereite Kraft Vater der kämpferischen Kraft, die zum Wettkampf geeignet ist. 171 Wenn nun aber dieser Kämpfer mit aller Anspannung bis zum Ziele lief und klar sah, was er vorher verschwommen im Traume schaute, wurde er mit dem besseren Siegel umgeprägt und Israel, der Gott Schauende, genannt anstatt der listige[1] Jakob, und er schreibt sich als seinen Vater nicht mehr den gelehrten Abraham zu, sondern den von Natur zum Weisen geborenen Isaak. 172 Das ist aber nicht meine Erfindung,[2] sondern so heißt ein Spruch, der auf den heiligen Tafeln geschrieben steht: „Es machte sich auf Israel selbst und mit allem, was er hatte, und er kam zu dem Brunnen des Eides, und er opferte ein Opfer dem Gotte seines Vaters Isaak“ (1 Mos. 46, 1). Merkst du nun, daß hier nicht von vergänglichen Menschen, sondern, wie gesagt, von naturgegebenen Sachverhalten die Rede ist? Denn, siehe, dieselbe Sache wird bald Jakob genannt mit Abraham als Vater, bald Israel mit Isaak als Vater aus dem Grunde, den wir ja genau erforscht haben.

[28] 173 Den Worten: „Ich bin der Herr Gott Abrahams, deines Vaters, und der Gott Isaaks“, fügt er nun ganz folgerichtig hinzu:


  1. Vgl. All. Erkl. I § 61 Anm.
  2. Ähnlich wie Ü. d. Namensänderung 152 zitiert hier Philo ein „geflügeltes Wort“ aus Euripides (Frg. 484 N.).
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/45&oldid=- (Version vom 7.10.2018)