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Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/44

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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

man nun älter[1] nennen als die Erlangung reiner und unvermischter Wohltat, und welches jünger als das aus Herrschaft und Geschenk gemischte? Im Hinblick darauf scheint mir der Tugendeiferer das so wunderbare Gebet gesprochen zu haben, es möge ihm der Herr zum Gotte werden (1 Mos. 28, 21); denn er wollte sich vor ihm nicht mehr als vor einem Herrscher fürchten, sondern ihn als einen Wohltäter in Liebe verehren. 164 Müßten nicht hierdurch und durch Ähnliches auch die Geistesblinden hellsehend werden und Augen bekommen von den heiligsten Sprüchen, so daß sie das Wesen erfassen und sich nicht nur bei dem Wortsinn beruhigen? Doch wenn auch unser Seelenauge sich geschlossen hat und wir uns nicht mehr bemühen oder nicht mehr die Kraft haben aufzublicken, dann, Hierophant, laß selbst deine Stimme ertönen, tritt heran und werde nicht müde, unsere Augen einzusalben, bis du uns wie die Mysten zur verborgenen Flamme der heiligen Worte führtest und die verschlossenen und Ungeweihten nicht sichtbaren Schönheiten zeigtest. 165 Deine Aufgabe ist es, dies zu vollbringen. Ihr Seelen aber, die ihr von der göttlichen Liebe gekostet habt, erstehet wie aus tiefem Schlafe auf, schüttelt die Finsternis von euch ab, eilet herbei zu der herrlichen Schau und laßt das bedächtig säumende Zaudern, damit ihr erkennet, welchen Augen- und Ohrenschmaus der Festgeber zu eurem Genusse hergerichtet hat.

[27] 166 Unendlich viel Bemerkenswertes gibt es, um hiervon eine Probe zu liefern, eines davon ist nun auch das kurz zuvor Gesagte; der Spruch bezeichnete nämlich den, der nach seinem Verwandtschaftsverhältnis Großvater des Tugendeifrigen ist, als seinen Vater, dem aber, der [646 M.] tatsächlich sein Vater ist, gab er die Bezeichnung des Erzeugers nicht. Es heißt nämlich: „Ich bin der Herr und Gott Abrahams, deines Vaters“ – obwohl dieser doch sein Großvater war – und ferner: „der Gott Isaaks“ (1 Mos. 28, 13) ohne den Zusatz: „deines Vaters“. 167 Ist es nicht der Mühe wert, nach dem Grunde hierfür zu fragen? Ich denke doch! Was für ein Grund vorliegt, danach möchten wir nicht nur so nebenbei Ausschau halten. Von der Tugend sagt (die heilige Schrift), sie entstehe entweder durch natürliche Begabung oder durch Übung oder durch Lernen,[2] weshalb sie auch alle drei Ahnherrn des Volkes als Weise bezeichnete,


  1. Wegen des Nebensinnes von πρέσβυς und νέος vgl. Ü. d. Nüchternheit 7ff. und Anm. 2.
  2. Vgl. hierzu Leisegang, Der heilige Geist 147ff.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/44&oldid=- (Version vom 7.10.2018)