dem man auch die Einführung des unverschämten Gebrauchs, das Gesicht anzumalen, und andere Personen, mittelst Nachahmung ihrer Kleidung, Gebehrden, Sprache etc. vorzustellen, zuschreibt. Diesen beiden Erfindern muß ich aber noch einen verliebten Dichter an die Seite setzen, den seine unbändige Leidenschaft so hingerissen hatte, daß er sie in Versen laut werden ließ, welche die schmutzigsten und niedrigsten Gesinnungen, wo nicht gar Abgötterei verriethen. Er hieß Alcman oder Alcina, und war ein Lydier. Von ihm sagt man, daß er der erste gewesen sei, der die Welt mit der Thorheit: Liebesgeschichten und Liebesgedanken in Liedern vorzutragen, beschenkte, welche hernach alle Nationen in ihren Romanzen so eifrig nachgeahmt haben.
§. 7. Einige werden vermuthlich hiergegen einwenden, daß es doch auch viele Lustspiele, Trauerspiele, Sonnetten, Lieder etc. gäbe, welche durchaus eine Tendenz haben, das Laster zu bestrafen, und aus denen man viel Gutes lernen können. So nichtig dieser Einwurf auch ist, so haben ihn Einige, entweder aus Mangel an Einsicht oder aus Unverschämtheit, mir doch schon gemacht. Ich gebe auch zu, daß dergleichen Vorstellungen unter den Heiden, nächst dem Lesen ihrer ernsten Moral-Philosophen, dienliche Heilmittel gegen die im Schwange gehenden Laster waren. Unter diesen will ich zwei Beispiele ausheben: Euripides, dem Suidas die Benennung eines tragischen Dichters beilegt, und Eupolis, den derselbe Schriftsteller einen komischen Poeten nennt. Der Erstere führte ein so keusches Leben, – und war also von der größern Anzahl unserer jetzigen Männer so sehr verschieden, – daß man ihn einen Weiberfeind nannte;
Wilhelm Penn: Ohne Kreuz keine Krone. Georg Uslar, Pyrmont 1826, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Penn_Ohne_Kreuz_keine_Krone.djvu/341&oldid=- (Version vom 1.8.2018)