Zum Inhalt springen

Seite:Otto Herodes.djvu/032

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

verlobt (bell. Iud. I 238–241 [hier ist fälschlich bereits von der Heirat mit Mariamme die Rede]; ant. Iud. XIV 297–300). H. hat sich daraufhin von seiner bisherigen Frau Doris, einer [RE:21] Idumäerin von guter, wenn auch nicht vornehmer Herkunft, getrennt, obwohl ihm diese bereits einen Sohn Antipatros geboren hatte[1] Die Verheiratung mit Mariamme ist allerdings damals noch nicht erfolgt, aber doch wohl nur infolge zu großer Jugend der Verlobten (s. bell. Iud. I 437; ant. Iud. XV 23f. 29. 34. 50. 56 über das Alter ihres Bruders).

Die Verlobung mit der hasmonäischen Prinzessin bedeutet für H. einen großen Schritt vorwärts auf der Bahn seines Aufstiegs; schon die sofortige Entlassung seiner Frau zeigt, wie hoch er die Verbindung einschätzt. Wellhausen 339 sieht freilich ebenso wie mancher andere (s. z. B. Hausrath I 223) in dieser Verschwägerung mit dem hasmonäischen Hause die Torheit seines Lebens, an der er zugrunde gegangen sei (ähnliches Urteil schon bei Josephus bell. Iud. I 431f.), meines Erachtens jedoch zu Unrecht. Denn einmal war die Verbindung mit dem alten Herrschergeschlecht geeignet, ihn gegenüber seinem älteren Bruder nach außen hervorzuheben und seine außergewöhnliche Stellung im Staate zu legitimieren (s. auch bell. Iud. I 240). Sie hat dann später die Einwurzelung seines Königtums, gerade die ersten schwierigen Jahre der Herrschaft, unbedingt erleichtert. Daß sie jemals seine Herrscherstellung erschwert habe, ist durch nichts zu beweisen. Wäre H. nicht mit den Hasmonäern verschwägert gewesen, so hätte sich jeder von ihnen erst recht gegen ihn als den Usurpator erhoben; Mariamme hätte als hasmonäische Erbtochter nach jüdischem Recht zu einer steten Gefahr für ihn werden können (Derenbourg a. a. O. 134f.). Um den Gegensatz zu dem alten Herrschergeschlecht, um den Kampf mit ihm bis aufs Messer, der ihm allerdings auch so nicht erspart geblieben ist und ihm schwere Wunden geschlagen hat, wäre er in keinem Falle herumgekommen. Und der böse Dämon seiner letzten Jahre, sein Sohn Antipatros, würde sich doch auf jeden Fall, auch wenn H. keine Hasmonäerin unter seinen Frauen gehabt hätte, verderbenbringend betätigt haben; das zeigt uns sein Vorgehen nach dem Tode der Mariammesöhne gegen seine anderen Brüder und gegen seinen Vater (s. S. 141ff.).

Der soeben erst neu gefestigten Stellung des H. ist alsdann sofort, noch im J. 42 v. Chr., eine neue Gefahr erstanden; in den Schlachten von Philippi wurde sein Gönner Cassius und dessen Partei vernichtet, und der eigentliche Sieger Antonius erschien im Osten, um auch hier die Herrschaft der Triumvirn zu stabilieren. Von ihm erhoffte der jüdische Adel den Sturz des H. [24] und seines Bruders; man klagte im J. 41 v. Chr. durch zwei Gesandtschaften die Brüder bei ihm an (nach Syncell. I p. 576 ed. Dindorf soll bei diesen Anklagen Antigonos dahintergesteckt haben, also bereits mit dem Adel im Bunde gewesen sein), aber beide Gesandtschaften waren [RE:22] erfolglos. H. verstand es, durch reiche Geschenke Antonius für sich einzunehmen; vor allem war aber dieser schon seit seinem Aufenthalt in Syrien in den 50er Jahren mit der Familie des Antipatros liiert (s. Joseph. bell. Iud. I 162; ant. Iud. XIV 84. Plut. Ant. 3) und kannte deren unbedingte Ergebenheit an Rom, während ihm die geringe Geneigtheit des sadducäischen Adels für die Römer natürlich nicht unbekannt war. Es vereinigen sich also persönliche und politische Momente bei der Entscheidung des Antonius, die, anstatt die Brüder zu stürzen, ihre Stellung im Gegenteil weiter befestigte. Sie sind nämlich damals beide durch ein Dekret des Antonius zu Tetrarchen ernannt worden, d. h. zu Teilfürsten über das jüdische Gebiet (über den Titel s. Dobschütz in Herzogs Realencyklop. f. protest. Theol. u. Kirche XX³ 627ff.; s. Tetrarch); gleichzeitig wird hervorgehoben, daß ihnen die Verwaltung des ganzen jüdischen Gebiets anvertraut wurde (bell. Iud. I 244; ant. Iud. XIV 326: πᾶσαν διοικεῖν τὴν Ἰουδαίαν ἐπιτρέπων = τὰ Ἰουδαίων ἐπιτρέπει πράγματα). Da jedoch von einer Enthebung des Hyrkanos von seiner politischen Stellung als Ethnarch der Juden nicht die Rede ist (der Stellung des Hyrkanos als Ethnarch entspricht auch sein Auftreten in der Folgezeit; Schürer I³ 352 urteilt hier falsch), so muß man in den Brüdern zwar weiter Untergebene des Hyrkanos sehen, aber nun solche fürstlichen Charakters, gefürstete Statthalter, jeder von ihnen Herr eines Teiles des Reiches, und zwar entsprechend ihren alten Stellungen der eine Herr im eigentlichen Judäa, der andere in Galiläa (ähnlich Raillard a. a. O. 44; vgl. die spätere Stellung des Pheroras als Tetrarchen von Peräa s. S. 70f.). Bemerkenswert ist es, daß die beiden Brüder damals vollständig gleichmäßig behandelt worden sind, während uns in der Tradition – aber offenbar nicht mit Recht – H. stets als der Führende entgegentritt.

Roms die Geschicke der Juden bestimmender Einfluß tritt uns in dieser Zeit nicht nur in diesem in die innere Verwaltung des jüdischen Gemeinwesens stark eingreifenden Dekrete, sondern auch in einem Edikt des Antonius an Tyrus entgegen, durch das diesem befohlen wurde, die bei dem Einfall des Antigonos in Galiläa von den mit ihm verbündeten Tyriern genommenen Orte den Juden wieder zurückzugeben (ant. Iud. XIV 314ff.; s. auch vorher § 313. Die Fälschung der Tradition zugunsten des H. tritt uns hier einmal deutlich entgegen, da sie die Wiedergewinnung jener Orte schon einige Zeit früher allein durch H., und zwar durch Gewalt, erfolgen läßt; was übrigens in dieser Tradition über die Art der Behandlung der in ihnen stationierten tyrischen Besatzung erzählt wird, paßt gerade gut zu freiwilliger Übergabe, wie sie das Edikt des Antonius voraussetzt, bell. Iud. I 238; ant. Iud. XIV 298).

In der Nähe von Tyrus ist es darauf noch 41


  1. Für Doris s. die Bemerkungen auf S. 2 *) und bell. Iud. I 517. Die Angabe im bell. Iud. I 432, Doris stamme aus Jerusalem, dürfte wohl nicht richtig sein, ebenso wie an dieser Stelle fälschlich die Scheidung von Doris erst in die Zeit des Regierungsantritts des H. verlegt wird; abgesehen von allgemeinen Erwägungen wird dies letztere durch bell. Iud. I 264; ant. Iud. XIV 353 widerlegt, wonach Doris schon zur Zeit seiner Flucht, 40 v. Chr., nicht mehr bei H. war.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/032&oldid=- (Version vom 1.8.2018)