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Seite:Morgenblatt Briefe Dresdner Kunstausstellung 1807.djvu/3

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hingegen, die zuletzt eingetreten ist, spricht die regere Bewegung des Schreckens und der Verwunderung. Sie sehen, daß Rösler den frühern Moment des ersten Staunens und der Betrübniß über die Abwesenheit des geliebten Leichnams zur Behandlung gewählt hat, und sonder Zweifel wollte er in den drey Marien den Uebergang des Schreckens und der Verwunderung in den stillen und endlich in den deutlichern Schmerz zeigen. So habe ich mir das Bild, und ich glaube, richtig gedacht, ob ich Ihnen gleich nicht meinen Beweis aus dem Bilde selbst führen kann, da die Gestalt des Engels, die hier vorzüglich für mich sprechen müßte, durchaus ohne Ausdruck ist. Denn habe ich in dem Verständnisse der Marien das Wahre getroffen, so wäre es gerathener gewesen, wenn der Künstler, wie Annibal Carrachi bey der Behandlung desselben Gegenstandes, den Engel blos auf das ofne Grab hätte zeigen und nicht die linke Hand zum Himmel erheben lassen. Besonders aber schadete dem Bilde der Strahlenschein, der nicht den Engel umschwebte, sondern an dem Hintergrunde festliegend ihm gleichsam nur als Folie diente, und dadurch, daß die Gewänder nach der Art einiger alten italiänischen Mahler behandelt, die Lichter weißgelassen und die Schatten farbig waren, hatte der Künstler das leblose Kolorit des Fleisches um ein Großes vermehrt. Doch genug! Beyde Bilder haben mir die Feyer des Osterfestes, das mir eines der frohsten und heiligsten ist, rührend erhöht.

Wie gern führte ich Sie noch vor mehrere, die durch den Inhalt unserm Gemüthe so nahe liegen; allein ich kann Ihnen nur noch zwey kleine Altarblätter von Moritz Retzsch, einem Schüler des Prof. Grassi, nennen. Das eine stellt die heil. Anna vor, wie sie die Maria lesen lehrt, das andre die Maria, wie sie den Leichnam Jesu im Schooß hält. Beyde zeigten Gewandtheit in der Behandlung der Oelfarben, allein das letztere Bild, so sehr mir auch der emporgerichtete Kopf der Maria gefiel, war im Kolorit des Fleisches zu kalt und bleich; auf dem ersten aber war der Kopf der kleinen Maria zart und lieblich empfunden, allein das Gesicht der Anna wieder durch die vielen Schatten und Reflexe unangenehm zerschnitten. Man erwartete noch ein Oelgemählde: Die Heilung des blinden Tobias, von Näcke, einem andern sehr hoffnungsvollen Schüler des Prof. Grassi, allein Krankheit hatte ihn abgehalten, es zu vollenden. Augenzeugen versicherten mir, daß es sehr viele Vorzüge habe.

(Die Fortsetzung folgt.)



Empfohlene Zitierweise:
Unbekannt: Briefe über die Dresdner Kunstaustellung. Cotta, Tübingen 1807, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Morgenblatt_Briefe_Dresdner_Kunstausstellung_1807.djvu/3&oldid=- (Version vom 26.1.2025)