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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/98

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das Geschlecht herab, während andere, ebenbürtige Familien Fürstenthümer und im Laufe der Zeit selbst Kronen erwarben. Schon 1192 spaltete sich der Stamm in den der schwarzen und den der weißen Fahne, und zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts traten eine Menge Seitenzweige hervor, die sich nach den Schlössern nannten, welche sie bewohnten. Fehden mit den mächtiger gewordenen Rivalengeschlechtern und die bis in die neue Zeit reichende systematische Unterdrückung, welche von deutschen Fürstenhäusern geübt wurde, thaten das Uebrige, die Boyneburge vom Glanze vergangener Jahrhunderte zu entkleiden. Durch unglückliche Prozesse verloren sie den größten Theil ihrer Erbgüter an die Fürsten, in deren Ländern sie lagen, und ihr Territorialbesitz in Deutschland sank von 21 Geviertmeilen mit einer Bevölkerung von 40,000 Einwohnern allmählich auf vereinzelte Güter und eine kleine Herrschaft herab. Noch einmal schien dem Hause ein neuer Stern aufzugehen, als Kaiser Leopold I. einem Boyneburg die reichsgräfliche Würde verlieh, eine Würde, – „welche (wie es im Diplom hieß) die Vorfahren schon seit undenklichen Jahren geziert hatte.“ Aber der neue Glanz hatte keinen Erben, denn der, den er umgeben, starb kinderlos und die Agnaten thaten nichts, um die ausdrückliche Bestimmung der kaiserlichen Urkunde, „daß die gräfliche Würde nie wieder in dem Hause untergehen sollte,“ zur Geltung zu bringen.

Mit dem Geschlechte und dem Reiche verfielen auch deren Burgen und Vesten. – Das Haus, wo Friedrich I. und mehre Kaiser vor und nach ihm Hof gehalten hatten, war schon im 15. Jahrhundert verfallen und kaum noch wohnbar. Um 1202 hatte es aufgehört, eigentliche Reichsveste zu seyn; denn in diesem Jahre verlieh Kaiser Adolf, der Nassauer, durch einen Akt schnöder Ungerechtigkeit und des Hasses gegen die Boyneburge, ihr Stammschloß, die Reichsburg, dem ersten Landgrafen von Hessen, der dadurch zum Rang eines Reichsfürsten gelangte und von dieser Zeit an in den Reichsversammlungen Platz nehmen durfte. – Im Widerstande gegen diese schreiende Ungerechtigkeit und in der langen Fehde, die sich zwischen Hessen und dem tapfern reichsfreiherrlichen Geschlechte entspann, verblutete dasselbe seine beste Kraft und verlor die Hälfte seiner Besitzungen. Erst im Jahre 1460 kam zwischen dem Landgrafen Ludwig von Hessen und den Boyneburgs ein Vergleich dahin zu Stande, daß letztere ihr Stammschloß und die dazu gehörige Herrschaft von Hessen zu Lehn empfingen. Noch 1792 gehörte die Burg der Linie Boyneburg-Hohenstein; freilich nur als Ruine, denn das dreißigjährige Kriegswetter hatte sie zerstört; als aber jene Linie im genannten Jahre ausstarb, nahm Hessen ihre Güter in Anspruch, behauptete sich auch durch einen Prozeß im Besitze von einem Theile derselben und stand im Begriff, den Rest zur Ausstattung der vom Kurfürsten mit einem Fräulein von Schlotheim (nachherigen Reichsgräfin von Hessenstein) erzeugten Söhne käuflich zu erwerben, als 1806 Napoleon’s Schwert die letzten morschen Pfeiler des alten Reiche zerschlug und dieses zusammenbrach. Vor dem Eroberer wurde der Kurfürst landesflüchtig,