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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/97

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und im Thüringer Lande. Ein Graf Otto I. wurde von der Kaiserin Agnes, der Vormünderin ihres Sohnes, Kaiser Heinrichs IV., im Jahre 1061, mit dem Herzogthum Bayern beliehen. Dieser Otto war ein strebsamer, gewaltiger Mann, welcher, nicht nach Volks-, sondern nach Fürstenfreiheit trachtend, an dem Bau der Reichsverfassung rüttelte und, sich auflehnend gegen die Reichsobergewalt, die Saat der Zerwürfnisse zwischen Kaiser und Fürsten emsig ausstreute. Nachher als Hochverräther vor den Reichstag nach Goslar geladen, sollte er seine Unschuld im Gottesgericht, im Zweikampfe mit seinen Anklägern, beweisen; – er kam jedoch nicht, und wurde in Folge dessen durch Reichsbeschluß seines Herzogthums entsetzt und in die Acht erklärt. Dies führte zum offenen Kampfe Otto’s gegen das Reichsoberhaupt, der lange Jahre gedauert hat und dem Reich Zerrüttung brachte, bis er durch die mörderische Schlacht bei’m Kloster Hohenburg (9. Juni 1075) für Otto unglücklich endigte. Von allen Bündnern verlassen, lieferte er sich nun dem Kaiser selbst als Gefangener aus; jener aber, großmüthiger als unsere kleinherzige Gegenwart begreifen kann, machte den Rebellen zum Reichsstatthalter von Sachsen, während Otto seine beiden ältesten Söhne dem Kaiser als Geiseln und Bürgen seiner Treue übergab. Nach Otto’s Tode wurden die Boyneburg’schen Herrschaften und Besitzungen an seine zahlreichen Söhne vertheilt und das Geschlecht zerfiel in mehre Linien. Bis daher war das Stammschloß, die Boyneburg, freies Eigenthum gewesen. Heinrich V. aber erhob es, mit Bewilligung seiner Besitzer, wegen der günstigen Lage desselben, zur Beobachtung der unruhigen Sachsen und der wegelagernden Ritter in der Nachbarschaft, zu einer Reichsveste, deren erbliche Obhut er den Boyneburgs anvertraute.

Das nun auf Reichskosten erweiterte Schloß wurde mit einer stattlichen kaiserlichen Wohnung geschmückt und erfreute sich fortan der öfteren Anwesenheit des Reichsoberhaupts und der Fürsten, welche dieses begleiteten. Ritterliche Spiele und glänzende Feste hatten ein Echo in den Mauern, wo jetzt das Rothschwänzchen nistet und das Käuzchen sich wohnlich eingerichtet hat. 1141 kam das Schloß, nach dem Aussterben der ältesten Linie, an einen Almarus von Boyneburg – den Ahnherrn der in Franken und Hessen, in Bayern und Sachsen jetzt noch blühenden Zweige des uralten Dynastengeschlechts, welches den Wissenschaften Forscher und Förderer, dem Staate weise Berather und dem Vaterlande Feldherren und Helden in die Schlacht zu allen Seiten gegeben hat. Ein Boyneburg (Kurt, der kleine Hesse genannt,) führte die Heere Karls V. gegen Italien zur Demüthigung päpstlicher Anmaßung, und erstürmte 1527 Rom; zwei Boyneburge trugen den Cardinalshut; ein Boyneburg stand selbst einmal auf der Kandidatenliste zur deutschen Königswahl.

Aber der Glanz des Geschlechts konnte, trotz der Größe Einzelner, doch dem Verbleichen nicht entgehen. – Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert dehnten sich seine Besitzungen von den Alpen bis nach Friesland und den Niederlanden aus; aber keine kluge Hauspolitik hielt sie zusammen – Erbtheilungen und Zersplitterungen brachten