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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band |
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minder entwickelt Zürich in kosmopolitischen und allgemeinen Beziehungen eine Regsamkeit und Geltung, die Erstaunen hervorbringt. Die kleine Stadt hat mehr Gesellschaften für philantropische und wissenschaftliche Disciplinen, als manche große Hauptstadt, und der Vereine für gelehrte Zwecke sind hier sogar mehr, als in München und in Petersburg. Bildung, Wissensdurst und Forschungseifer sind nicht das Gut einer Kaste, sondern aller Züricher; und der Handwerker und Fabrikant, der Gutsbesitzer und der Militär nehmen an den socialen und wissenschaftlichen Bewegungen eben so innigen und werktätigen Antheil, als anderswo die Leute vom Fach, die Staatsmänner und die Gelehrten.
In einem Gemeinwesen, wie das Züricher, ist es natürlich, daß freie Bürger für ihre Gemächlichkeit wie für ihr politisches Wohl sorgen. Das kleine Zürich hat Hunderttausende auf die Verschönerung der Stadt und ihre Umgebung verwendet; noch größere Summen auf Werke des öffentlichen Nutzens und der Wohlthätigkeit. Wenn es irgend einem Zweck zur Erweiterung seiner intellektuellen Geltung, zur Vermehrung der Mittel für allgemeine Bildung gilt, so schont es keine Opfer, und kein Aufwand ist ihm zu groß. Selbst die enormen Kosten einer Universität hat das kleine Gemeinwesen zusammengebracht und die Zierden der Wissenschaften aus vielen Ländern zu ihren Lehrern berufen. Schönlein, Oken lehrten oder lehren noch auf der Züricher Hochschule.
An einer Monarchie können ein stehendes Heer, ein glänzender Hof, tausend Ausgaben einer nie befriedigten Phantasie, oder einer noch kostbarern, eitlen Ueppigkeit die Schätze verarmender Länder erschöpfen, ohne Etwas zum Glücke der Unterthanen beizutragen. Mit dem Bache, welcher die Auen des Landmanns tränkte und dem nun geheißen wird, aus der Schaale eines marmornen Flußgottes zu plätschern, oder aus den Rachen von Delphinen zu springen und die Luft zu erfrischen: mit diesem Bache wird das Mark einer Provinz in einen Fürstengarten geleitet; oder eine Festung, ein Zeughaus, eine Kaserne fressen Millionen, die man durch tausenderlei Preßmaschinen und Saugpumpen einem Lande zu entziehen weiß. Nicht so in diesen kleinen Republiken, wo ein jeder Bürger seinen Antheil am Regiment hat. Da sind die Abgaben gering, fast unfühlbar; der Staat aber ist dennoch reich. Den Züricher Staat kräftigt eine weise Oekonomie und seine Finanzen waren von jeher geordnet und blühend. Alle öffentlichen Anstalten und Gebäude bezeugen dies; sie sind der Würde eines edlen Freistaats angemessen. Sein größtes Lob aber ist der allgemeine Wohlstand unter seinen Bürgern. Man sieht keinen Bettler und die verhältnißmäßig wenigen Armen sind durch mildthätige Anstalten reichlich bedacht.
Der Staat besitzt einige Domainen, deren Ertrag durch die geringen Abgaben vergrößert wird, welche auf dem Eigenthum haften. Die Hauptsteuer ruht auf demjenigen Besitz, welcher in vielen monarchischen Staaten am
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1844, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_11._Band_1844.djvu/36&oldid=- (Version vom 26.2.2025)