Zum Inhalt springen

Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/176

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

und Wünsche, ein Bemänteln und Belügen, kurz ein Hadern zwischen beiden Nationalitäten ohne Kraft und ohne Würde.

Wohl weiß ich, daß wir an diesem Zustande selbst gar viel verschuldet. Wohl weiß ich, daß, wie selbst Berge, welche die Natur auf den Vesten der Erde aufgerichtet, stürzen und sich in Trümmer auflösen müssen, wenn das innere Leben abgestorben ist, so auch in des Reiches weitem Hause schon gar lange ein sieches Leben wohnte, sonst es wohl nicht hätte geschehen können, daß ein Fremder von der besten Kammer Besitz genommen. Aber jetzt, nachdem wir auf der Zerstörung einer blühenden Vergangenheit den Aufbau eines neuen Volksthums fest begründet, nachdem wir unsere Phönixperiode durchlaufen haben und zur Wiedergeburt unsers Irdischen gelangt sind: sollen wir da nicht alle Elemente deutschen Volksthums wieder zu vereinigen trachten? – Schreit nicht die Pyramide von Straßburgs Münster die Antwort in den Himmel hinein? oder ist es eine Fabel, das deutsches Volk sie aufgebaut, ein Zeichen deutscher Kraft und Einigkeit? Keine Stadt in Deutschland, die nicht Geld und Gut dazu gesteuert, die nicht Handwerksleute gesendet; kein Dorf, das nicht sein Scherflein gespendet! Nein, es ist keine Fabel, und diese Steine sind keine todten Massen. Sie reden mit feurigen Zungen von der großen deutschen Nation, die, einig und gläubig, ihren Willen an eine Idee gesetzt. Und auf diesem Denkmal, daß mein Volk, stark und einig, in vielen Jahrhunderten erbaut, soll der Hahn der Gallier fortkrähen? –

Geflügelt sind die Geister der Nationen. Frei hat sie Gott gegeben. Auf ihre Gefahr können sie Jegliches versuchen. Der Tag wird kommen, wo der starke deutsche Adler kampfmuthig die Schwingen schlägt, zurückzufordern, was man ihm geraubt und was unsere Fürsten dem Räuber ließen. Wer dürfte den Versuch Frevel nennen, zurückzuerlangen ein Eigenthum, das man uns stahl? wer uns hindern, Gebrauch zu machen von unserm unveräußerlichen Recht? Freilich wird es Zeit bedürfen. Ungahr und unklar ist noch das junge Selbstbewußtseyn in den Massen, das Morsche, Abgestorbene ist noch nicht überall abgestoßen und das neue Leben hat sich noch aus dem Todeskampfe des Alten fest zu gestalten. Es ist noch ein Zischen und Streiten, ein Bilden und Zerstören da und dort; Chaotisches könnte man es nennen, wenn nicht der Zug und Trieb der innern Kräfte, die unsern Gestaltungsdrang beleben, ein festes Ziel verriethen. Aber wenn erst deutsches Volk in seinem Gebilde das rechte Maas getroffen hat, dann wird auch der Trieb, alles Deutsche zu Deutschland wie der zu einigen, allwärts bis an die Grenze verfolgt werden, wo der letzte deutsche Laut vernommen wird, und Meister Erwins deutsches Gotteshaus wird wieder ein Gotteshaus in Deutschland werden.