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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/153

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Der Degen sogar ward nach dem Original modellirt, das Napoleon in der Schlacht bei Austerlitz getragen. Aber gibt es nicht eine höhere historische Wahrheit für die monumentale Kunst, als die Lappen, in welche Tag und Zufall den Heros eines ganzen Zeitraums kleiden? Die schlagendste Kritik über den neuen geschichtlichen Napoleon auf der Vendomesäule machten Licht und Luft. Ais nämlich das etwas spreitzbeinige Bild aufgestellt war, fand sich, daß der Baumstamm, welcher zur festern Stütze der Statue dienen sollte, derselben, von unten betrachtet, das Ansehen eines einbeinigen Invaliden gab. Er mußte entfernt werden. Nun fand sich aber wieder, daß das Licht, welches zwischen den Beinen durchfiel, solche so verdünnten, daß sie fast unsichtbar wurden und die ganze Figur einem an 2 Schnüren befestigten Drachen nicht unähnlich sah. Um auch dies zu verbessern, brachte man zwischen den Beinen eine Bombe und einen Haufen Kanonenkugeln an.

Die neue Statue ist aus 16 österreichischen und russischen Kanonen gegossen, welche zu den Trophäen des Feldzugs von 1805 gehören. Die Höhe des Standbildes mißt 11 Fuß; trotz dieser kolossalen Dimension nimmt es sich, von unten gesehen, klein, fast zwergartig aus.

Von künstlerischer Seite wird dieses Monument immer zu tadeln geben; aber nichts desto weniger wird es stets von einer Nation mit Stolz betrachtet werden, welche den Kriegsruhm so hoch achtet und die von jeher demselben so große Opfer gebracht hat. – Hieraus zu folgern, daß die jetzige Generation das System des Kaiserreichs zum thatsächlichen Bestande zurückwünsche, wäre jedoch ein großer Irrthum; im Gegentheil, nichts hat über die Gemüther des stimmberechtigten Theils der Nation mehr seine Gewalt und seinen Zauber verloren, als das System der Napoleon’schen Welteroberung. Die Partei, welche dem Volke die Wiederkehr solcher Unternehmungen verspricht, findet wenig Anklang. Frankreich hat die Segnungen des Friedens in zu reichem Maße geärndtet, als daß es sie nicht zu würdigen wüßte. Alle Ideen wechseln mit der Zeit. Die guten Tage unfruchtbarer Trophäen sind vorüber, und was der afrikanische Krieg, was die Expeditionen nach der amerikanischen Küste und Polynesien davon dermalen liefern, sind zu armselige Parodien der Kriegsthaten der Kaiserzeit und können in dem Volke eine tiefergehende Theilnahme niemals wecken. Bei der jetzigen Volksbildung und bei der Kraft, welche die Interessen des Friedens überall in der civilisirten Welt erlangt haben, bedarf es zum großen Kriege viel gewaltigerer Motive, als die der Eroberung; es bedarf tief eingehender, die höchsten moralischen Güter der Massen erfassender und bewegender Hebel. Ohne solche ist ein Zusammenstoß der Völker, wie wir ihn auf den Napoleon’schen Schlachtfeldern erlebt haben, nicht mehr möglich. Darum werden auch alle Versuche, Projekte und Entwürfe der Napoleoniden, die künftig geschehen mögen, um mit dem Schwerte des Helden auf der Vendomesäule über Frankreich zu herrschen, ohne Wirkung vorübergehen, wie die bisherigen.