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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band |
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bekam er Befehl, sie an Denon auszuliefern, was geschah. Wahrscheinlich hatte man ihre Wiederaufstellung zum Gegenstand eines späteren, feierlichen Akts machen wollen, den die Schlacht bei Waterloo vereitelte.
Die Bourbons kamen zurück. Bald machte sich die Restauration wieder mit der Napoleonssäule geschäftig. Lunay hatte sie von Denon zurück erhalten, um die Beschädigungen auszubessern, welche sie durch den vandalischen ersten Versuch, sie von der Säule herabzureißen und abzusägen, bekommen hatte. Seitdem hatte er sie sorgfältig aufbewahrt. Da kam auf einmal ein königlicher Befehl an ihn, das herrliche Kunstwerk zu zerschlagen und das Metall zum Guß des Pferdes für eine Reiterstatue Heinrich’s IV. zu verwenden, die den Pontneuf zieren sollte. Lunay erbot sich, den doppelten Preis des Metallwerthes zu geben, wenn man ihm die Statue lassen würde; er schützte die Liebe für sein Werk vor, und zuletzt erbot er sich, den ganzen Preis dafür zu zahlen, den die Herstellung gekostet habe. Alles umsonst. Er mußte den Befehl vollziehen. „Schon zerschlagen“ (so berichtete Lunay über diesen merkwürdigen Vorgang in den Journalen) „bot ich, um wenigstens die Reste der Vernichtung zu entziehen, 20,000 Pfund Bronze für sie, die nur 6000 Pfund wogen. Auch das wurde ausgeschlagen.“ Lunay goß nun aus der Bronze seines Napoleons das Pferd des IV. Heinrich’s, aber zugleich eine Statuette des Kaisers, die er in die Höhlung des rechten Arms jener Bildsäule steckte, und im Bauche des Pferdes verbarg er ein Kästchen, in welchem er eine Geschichtserzählung der vernichteten Statue, und Lieder, Inschriften, Reden etc., welche auf diese schmählichen Vorgänge Bezug hatten, bewahrt hat: sprechende Denkmäler von dem Geiste der Zeit, in der sie entstanden, und der Niedertracht Derer, die in ihr eine Rolle gespielt haben. –
Nach der Entfernung des Kaiserstandbilds pflanzte die ruhmlose Restauration ihre weiße Fahne auf die Säule des Ruhms. Während der 100 Tage wehte die dreifarbige; dann abermals die weiße. Die Julirevolution zerriß diesen Lappen, und abermals spielten die drei Farben mit den Winden. Ludwig Philipp, gierig nach Allem greifend, was die Phantasie und die Eitelkeit der Nation eine Zeitlang beschäftigen mochte, hatte nach seiner Erhebung auf den Thron den Einfall, an den Platz der alten Kaiserstatue eine neue zu stellen. Nicht der idealisirte Napoleon sollte es seyn, wie Chaudet ihn so herrlich gedacht hatte, – nicht der kolossale Genius der Eroberung und des Siegs, nicht der Held, den Heroen der alten Welt vergleichbar: – sondern der sogenannte historische Napoleon, der Mann im Schulmeisterformat mit dem Dreieckhute, dem grauen Rock, den engen Beinkleidern, ganz so, wie wir ihn auf seinen Feldzügen gesehen, oder wie er im Tuillerienhofe die Garden gemustert. Und damit an der Wahrheit der äußern Erscheinung nichts gebreche, so mußte Bertrand dem Bildhauer Seurre, der mit der Modellirung beauftragt war, einen vollständigen Anzug des Kaisers schicken, um den Gliedermann damit zu bekleiden. So kann man nun freilich von dem Hut, dem Militärfrack, den Epauletten, dem Ueberrock mit den Aufschlägen, den hohen Stiefeln, dem Fernglase, das er in der Hand hält, sagen: So haben sie ausgesehn!
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1844, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_11._Band_1844.djvu/152&oldid=- (Version vom 5.3.2025)