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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/154

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CCCCXXXXVIII. Die Burg Hohenzollern.




Gleich erschuf Gott alle Menschen mit gleichen Rechten, mit gleichen Ansprüchen an das Leben und seine Güter. Könige und Unterthanen, Freie und Hörige schuf er nicht. Von Gottes Gnaden ist keinem Sterblichen das Recht verliehen, seines Gleichen zu unterdrücken. Vor ihm sind wir Alle gleiche, einander ebenbürtige Wesen, und klar, wie er sich selbst jeder denkenden Menschenseele offenbart als einen unparteiischen, gerechten und gütigen Gott, der, um in einem Lande regnen zu lassen, nicht erst fragt, welchen Propheten es hat, und ob die Sonne auf Throne scheine, oder auf freie Burger: – so klar fließt für jeden Vernünftigen der Born der Erkenntniß von den gesellschaftlichen Rechten und Pflichten. Was vernünftig ist, ist sittlich, was unvernünftig ist, ist schlecht oder Irrthum. Wenn daher Staat und Religion, herrschaft und Gesetze mit der Vernunft nicht im Einklang stehen, so sind sie falsch und verwerflich.

Die Vernunft, und die Vernunft allein, ihr Völker! ist der Probirstein, um eure religiösen, wie eure gesellschaftlichen Einrichtungen, Satzungen und Zustände auf ihren Werth zu prüfen. Zu diesem Probirstein führt eure Priester, welche, statt euern Lebenspfad zu erleuchten, ihn euch verfinstern; die sich das Recht anmaßen, nach Laune und Willkühr euch den Himmel zu öffnen oder zu schließen, und die Handel treiben mit den Strafen und Freuden der Ewigkeit; dahin führt eure Gesetzgeber, welche das Jus zu einem Codex der Despotie und Ungerechtigkeit und zu einem Labyrinth von Spitzfindigkeiten machen, in welchen nur Arglist und Unehre den Ausgangsfaden finden; eure Magistrate, die, jeglicher Bürde baar, ihr Amt nützen, wie einen verliehenen Acker, und keinen andern Vortheil erstreben, als ihren eigenen; eure Gewaltigen, die, berauscht von ihrer Größe, den Zweck ihres Berufs gänzlich vergessen, bedrücken, wo sie beglücken, verfolgen, wo sie schützen sollten; die ausgießen die Ehren des Staats an unnütze Höflinge, Schmeichlern die Schätze der Völker schenken, und Erde und Meer erschöpfen auf Kosten der Nationen, um ihre Eitelkeit oder ihren zügellosen Luxus zu befriedigen; jene pflichtvergessenen Herrscher, welche wie Generalpächter zu Throne sitzen und nichts Höheres auf demselben suchen, als das Ansammeln von kolossalen Reichthümern, welche mißbrauchen die Mittel der Herrschaft, um aus dem Vermögen ihrer Länder ein Familiengut zu machen und mit dem Schwerte des Gesetzes verfolgen, um sich die Habe der