![]() |
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band |
|
und ihrem Solon.“ So hieß es in der Inaugurationsrede. Und ehe ein Lustrum vergangen – lag sie, verspottet, im Staube. Wie das zugegangen? – Laßt mich es erzählen.
Mehr der Verrath und die Feigheit, als der Sieg, hatten im März 1814 den Verbündeten Paris in die Hände gegeben. Napoleon selbst war in Fontainebleau und sammelte die Reste seiner Heere. Wenige Getreue waren mit ihm. Die meisten, die er groß gemacht, Minister, Marschälle, Senatoren, verstärkten in diesen goldenen Tagen der Niederträchtigkeit das Feldlager seiner Feinde.
Am 31. März machten einige dieser Menschen, die den prunkvollen Einzug der Verbündeten mit ihrem Hurrah! begrüßten und in welchen die Flügelhörner der Preußen eine bilderstürmende Begeisterung gegen die Napoleon’sche Heldenzeit erweckt hatten, den Anschlag, die Statue des Heros von der Vendomesäule herabzustürzen. Ihre Handlanger stiegen hinan, schlangen Taue um den Kopf des Kaisers, und vierundzwanzig Pferde wurden angespannt und angetrieben, sie herabzureißen. Aber sie wich nicht. Hierauf spannten sich es ist unglaublich! – die Pariser selbst an: Tausende zerrten; aber die Bildsäule spottete der Wucht der Tausende – sie wankte nicht von ihrer Stelle. Nun ließ man Schlosser hinaufsteigen, die es versuchten, das Standbild an den Knöcheln abzusägen. Bei der Härte des Metalls und weil die Füße nicht hohl, sondern voll gegossen waren, war auch dies vergeblich. Zuletzt sprach man von nichts Geringerem, als das Monument mit Pulver zu sprengen. Schon wurden Pulverfässer herbeigeschleppt: da widersetzte sich dem tollen Beginnen ein russischer General, welcher auf den Ruhm Frankreichs eifersüchtiger war, als die Pariser selbst, und den es entrüstete, eines der schönsten Denkmäler unserer Zeit gänzlicher Vernichtung Preis gegeben zu sehen. Russische Kosaken nahmen die Säule unter ihren Schutz, und die Anstifter mußten nun einen andern Weg einschlagen, um ihr Vorhaben auszuführen.
Sie wendeten sich an die Heerführer der Verbündeten im Namen der Pariser Bevölkerung und baten um sofortige Entfernung des Bildes, dessen Original, wie sie sich ausdrückten, der Fluch und Abscheu von ganz Frankreich geworden war. In Folge dessen erhielt der Kunstgießer Lunay, derselbe, aus dessen Werkstätte die Statue hervorgegangen war und der sie aufgestellt hatte, von dem russischen Platz-Commandanten „bei militärischer Exekution“ den Befehl, die Statue herabzunehmen und diese Arbeit „bis zum 6. April um Mitternacht“ zu vollenden. Am Rande dieses martialischen Befehls stand geschrieben: „Augenblicklich zu vollziehen.“ Pasquier.
Lunay entledigte sich des empfangenen Auftrags. Die Bildsäule wurde ohne Beschädigung herabgenommen und der Künstler behielt dieselbe als Unterpfand für rückständige Forderungen, die er an den Staatsschatz hatte, in seinem Gewahrsam.
Der 20. März 1815 kam herbei: – die Bourbons flohen, der Kaiser saß wieder auf dem Thron. Am 21. März bat Lunay den General Bertrand, die Säule wieder auf ihren Platz stellen zu dürfen; als Antwort
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1844, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_11._Band_1844.djvu/151&oldid=- (Version vom 5.3.2025)