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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/15

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Reichthums hier erbaut. Wenn nicht mit goldenen Buchstaben über dem Eingang zur Börse stände: „Bourse et Tribunal du commerce,“ so könnte man diese Börse eher für einen, von Dämonen aus Griechenland hergetragenen Jupiterstempel, oder für eine französische Walhalla halten. – Nun, wenn für Frankreich die Zeit herbei gekommen ist, wo man den Menschenwerth vorzugsweise nach Millionen schätzt – und diese Zeit scheint nicht fern zu seyn! – so mag es eine Walhalla in der That werden, und die Franzosen werden dann die Rothschilde eher darin finden, als die Deutschen in der ihrigen – den Luther.

Die Börse ist ein Bauwerk aus der Kaiserzeit. Sie hat zwei Fronten und ist rings mit einer prächtigen, corinthischen Säulenhalle umgeben, zu welcher Freitreppen hinanführen. Der große Börsensaal bildet ein Tonnengewölbe, das ein eisernes Dachgesparre trägt. Er faßt über 2100 Personen. Eine geräumige Vestibule empfängt den Besucher, der durch hohe Flügelpforten, an welchen Schweizer Wache halten, in das heiligthum des Geldgottes eintritt.

Im oberen Stocke sind die Säle und Zimmer des Handelstribunals. Eine Treppe von Marmor führt hinan, geziert mit einem Geländer von vergoldeter Bronze. In den Corridors deuten Malereien von Meisterhänden auf die Geschäfte des Gerichtshofs. Brogniard und Labarre waren die Baumeister der Börse.

Die Börsengeschäfte dauern täglich von zwei bis fünf Uhr Nachmittags. – Schon gegen ein Uhr fängt der Börsenplatz an sich zu beleben. Elegante Kabriolets halten vor dem Gitter der Freitreppe; man sieht Leute, Zeitungsblätter lesend, in den Säulengängen auf und ab wandeln; es bilden sich Gruppen, Polizeicommissäre mit untergeschlagenen Armen stehen umher und beobachten die Menge. Eilige Gestalten kommen, suchen mit scharfem Blick, wechseln bald da, bald dort einige Worte und verschwinden. Jede Minute macht die Szene belebter, zahlreicher. Die Gruppen schmelzen zu größeren Massen zusammen; die anfange leise und geheimnisvoll geführte Unterhaltung wird laut, die Fama schüttelt ihr Füllhorn aus, eine lügnerische, trügerische Schwätzerin, welche dem jungen Börsentage mit geläufiger, gewissenloser Doppelzüngigkeit die Nativität zu stellen trachtet. Jetzt schlägt die Börsenuhr Zwei: das Parquet wird geöffnet und hinein strömen die Schaaren zu der privilegirten Spielbank Frankreichs. Was man Parquet nennt, ist ein mit Schranken umgebener, breiter Gang im Börsensaale, welcher auf einen gleichfalls umschrankten runden Platz stößt, in dessen Mitte eine erhöhete Estrade sich befindet: – gleichsam der Altar im Tempel. Die Mäkler der Börse füllen die umschrankten Räume, Wechsel, Staatseffekten und Aktien aller Art ausbietend oder suchend, bald zuschlagend, bald verweigernd. Auf der Estrade stehen die Ausrufer, athletische Gestalten, welche mit Stentorstimme die Kurse verkündigen, zu welchen die Geschäfte geschlossen werden; – es ist ein unaufhörliches Zahlen- und Namenrufen, welches