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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/129

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subjektiven Freiheitskräfte aufreibt und Alles unterdrückt, was sich der Centralisation der Gewalt entgegenstemmen mag; – und da entstand das Werkzeug, womit man alle provinziellen Eigenthümlichkeiten, alle örtlichen Rechte, alle Selbstständigkeit des Gemeindelebens, alle Macht des Herkommens und der Gewohnheit, alle Abneigung eingewurzelter Sitten, Freiheiten und Gebräuche, allen Stolz selbstständiger, unabhängiger Gesinnung nivellirt und aufhebt: Alles zum Vortheil des Einen – der Macht des Herrschers. In jenem Hause ist das Prinzip geboren worden, welches die Subordination, den willenlosen Gehorsam, an die Spitze der Pflichten der Staatsangehörigen stellt, das die Individuen zu Massen conglomerirt, in denen sie nur nach Zahl und Ziffer gelten und in welchen die Persönlichkeiten untergehen. In den Tuilerien hat man zuerst die Entdeckung gemacht, daß die Masse des Volkes, als Nährstände, eigentlich nur da sey für die Herrschaft und deren Angehörige; daß sie auf der Welt sey, um zu arbeiten, und die Arbeitsmenschen für nichts anders zu betrachten wären, denn als die Vormägen, in welchen sich Kraut und Gras in den Milchsaft zur Nahrung der Vornehmern verwandele. Dort wurden die Druck- und Saugpumpen zuerst ersonnen und construirt, mit denen man den Saft aus den Leibern der Völker zog, die Mauthen, die Verbrauchssteuern, durch welche man vom Bauer den doppelten Zehnten nimmt, vom Handel seine Provision erpreßt und mit allen Gewerben und Industrien den Gewinn theilt, ohne Antheil an der Gefahr, den Kosten und den Verlusten zu haben. Den Tuilerien endlich gehört der Ruhm, Geburtsstätte der geheimen Polizei zu seyn, jener horchenden, spähenden, lauernden, im Finstern schleichenden, unsichtbaren Macht, die umgeht unter den Völkern, um ihre Besten zu verrathen und zu fahen. –

Nichts weiter? Wenn Das doch Alles wäre! Aber auch die letzten, höchsten Güter sollten den Völkern nicht bleiben vor dem Geiste, der in diesem Königshause waltete. Von hier ging unter den Nachfolgern des 14ten Ludwigs jener Pesthauch der Lüderlichkeit, des Unglaubens, der frechen Verhöhnung alles Edlen und Erhabenen aus, welcher die meisten Höfe Europa’s vergiftete und durch diese die Völker bis auf die untern Schichten mit sittlicher Fäulnis durchdrungen und verderbt hat. Die Tuilerien führten die Zeiten der Cäsaren zurück, und mit ihnen alle die viehischen Gräuel, welche jene Zeiten befleckten. Bei König Ludwig XV. und dem ruchlosen Regenten gingen die Fürsten und Großwürdenträger der Staaten, in dem Pfuhl der neuen Lutetia die Angehörigen der Völker, in die Schule und wurden Träger der Unwürdigkeit und des Verderbens, das alle Organe des europäischen Lebens anfraß und mit eiterndem Krebsstoff infizirte. In den Tuilerien hat man gesehen, wie schlechte Maitressen Kriege anzettelten, welche den Völkern das Herzblut kosteten und ihre Städte verwüsteten; in den Tuilerien wurde die Politik erdacht, die den Länderraub zum Recht gestempelt, den Volksbetrug zum Verdienst erhoben und die Staatsbeutelschneiderei im größten Style gestattet hat, mit deren Hülfe es nicht blos möglich war, der Gegenwart Hab und Gut zu verpfänden und aufzuzehren, sondern auch noch das der ungebornen