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Seite:Meyers Universum 10. Band 1843.djvu/21

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verursachte, daß manche seiner Unternehmungen gleichsam schon während des Entstehens veralteten; in solchen Fällen besann er sich nie lange, er gab auf, sobald die Gewährschaft für ihre Dauer verloren war. Mehrmals richtete er Neues auf und legte es kaltblütig wieder ein, ehe es werkthätig wurde. Kein Fehlerfolg erschütterte, keiner schreckte, keiner entmuthigte ihn. Seine in so vielen Richtungen schaffende, erwerbende Thätigkeit spielte gleichsam mit dem Unglück und spottete den Wechseln merkantiler Erfolge. Es war kein Geheimniß, daß er vielmals Hunderttausende verlor; dennoch erwarb er Millionen. Da kamen die Tage, wo der Körper den Geist zu zügeln anfängt, und wo der Mann so gern sich einen Plan macht zur Ausfüllung für die übrige Lebenszeit, die hinter der Gegenwart liegt: – der Plan zu Seraing wurde geboren. Ein in sich harmonisch ausgebildeter Geist spiegelte sich darin, ein Riesengeist, und ein Riesenwerk sollte es werden. Bei Lüttich, in der Nachbarschaft der reichsten Kohlen- und Eisenlagerstätten, lag ein altes Schloß mit einem Park, Seraing, die einstige Residenz der Fürstbischöfe Lüttichs: – er kaufte die Besitzung, kaufte noch Land und Wald dazu, fing an, eine Stadt zu bauen für seine Arbeiter und Werkstätten, und während auf seinen Wink über der Erde tausende von Bauhandwerkern schanzten, setzte er hunderte von Bergknappen zu seinen unterirdischen Bauten in Bewegung. Drei Millionen hat er in seine Bergwerke gegraben, aus denen er die Elemente der überirdischen Industrie zu ziehen sich vorsetzte; neun andere Millionen hat ihm Seraing gekostet. Cockerill, der Millionär, borgte noch unbedenklich Millionen, um sein großes Vorhaben durchzuführen. Schon war das Werk gelungen, fertig, produktiv, ein Wunder für Alle, die es sahen. 2000 Arbeitsleute schufen in den unzähligen Ateliers nach seinem Willen; wie ein Fürst stand er unter ihnen, wie ein Vater war er geliebt von ihnen; dem ganzen Lande war er ein Wohlthäter durch sein Wirken und noch mehr durch sein Beispiel: sein König schätzte ihn höher als einen Fürsten und von der Welt war er höher geachtet als Könige: – da fuhr ein Blitz aus blauem Himmel herab – die belgische Bank, das Institut, dessen Credit Cockerill zum Belauf von mehren Millionen benutzt hatte, stürzte. – Cockerill war im kritischen Augenblicke in Norwegen mit seinen Kupfergruben beschäftigt: als er zurückkam, war die Fluth nicht mehr zu gewältigen. Er rief seinen König um Hülfe an; doch – konnte oder wollte dieser nicht helfen? – König Leopold ließ den ersten Mann seines Reichs fallen. Cockerill mußte mit einem Vermögen von sieben Millionen seine Zahlungen einstellen und alle seine Anstalten und Schöpfungen den Gläubigern zur Administration überlassen. Als Rußlands Kaiser sein Unglück erfuhr, beschied er den großen Mann nach Warschau; er benutzte seinen Rath zum Bau eines Eisenbahnnetzes für das Reich, und gab ihm zu den Anstalten und zur Erzeugung des Materials für den Bahnbau Credit bei der polnischen Bank. Eine neue, große Laufbahn schien ihm aufgethan; aber bald mußte sich Cockerill überzeugen, daß mit den persönlichen Elementen, die ihm zur Mitwirkung angewiesen waren, ein Gelingen mehr als zweifelhaft wurde. Er sah sich in einer falschen