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Seite:Meyers Universum 10. Band 1843.djvu/20

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Numern versehen. Die Modellschreinerei und die Förmerei nehmen fünf Ateliers von 200 Fuß Länge ein, und es sind stets 30 biS 40 Tischler, Förmer etc. etc. daselbst in Thätigkeit. Geschickte Arbeiter verdienen sich in Seraing wöchentlich 30 bis 40 Franken; geringe werden hingegen nur mit 9 bis 12 Franken bezahlt. Als Zweigetablissement ist die große Cockerill’sche Maschinenfabrik in Lüttich selbst zu betrachten, wo blos feinere Maschinen, meistens für die Spinnfabriken, gefertigt werden. Hauptabsatzwege der hiesigen Produkte sind, außer Belgien, Deutschland, Italien, Rußland, Süd- und Nordamerika. Den Ruf der Solidität hat Seraing auch nach dem Tode seines Gründers ungeschmälert behauptet.

Noch ist kein Lustrum über die Gruft desselben gegangen, noch ist das Herz nicht Asche geworden, das für alles Hohe und Große so lebendig schlug. Ueber einer Pforte liest man in einem Kranze von Sternen: John Cockerill. Nicht die bezahlte Hand des Steinmetzen hat sie eingemeißelt, sondern die Liebe und Verehrung seiner Arbeiter, als sie von seinem Tode im fernen Lande hörten. Um die stille Mitternacht, so geht die Sage, schreitet der Geist des großen Werkmeisters über die Höfe, und wenn er an die Pforte kommt, bleibt er stehen und sieht hinan mit dankendem Blick auf das bescheidene Denkmal freier Zuneigung. So erzählen seine Arbeiter, und die Sage ehrt sie, wie den Geschiedenen.

Der Lebenslauf Cockerill’s läßt sich mit wenigen Worten andeuten. Es war ein Brite und arm; er hatte nichts, als sein Genie und das Geschick seiner Hand. Dabei war er unstät, es war für ihn kein Bleiben. Wie ein Komet schweifte er umher; als Maschinenbauer wanderte er von einer Werkstatt in die andere, befahl, und gehorchte selten, that, was er wollte. Da kamen die männlichen Jahre und mit ihnen der Drang, selbstständig zu schaffen und zu wirken. Der redliche, kenntnißreiche, geniale Mann fand Vertrauen, Glauben, Unterstützung. Er gründete ein Etablissement für Maschinenbau in Belgien und brachte es mit Adlerschwingen empor. Bald vermochte er Großes und immer Größeres daran zu knüpfen. Die Geister Boultons und Arkwrights schienen in ihm vereinigt, die glücklichste Combinationsgabe half ihm bei Allem, was er unternahm. Sein Genie gab der belgischen Industrie ein neues Gepräge, es gab der Industrie überall, wo es wirkte, eine höhere Würdigung und Geltung. Sein Weltbürgersinn wies seiner Thätigkeit den Erdkreis an: Land und Volk waren ihm gleich; Entfernungen galten ihm wenig: entdeckte er irgendwo einen Keim zu einer großen Industrie, seiner Wartung werth, so pflegte er ihn und zog ihn auf, ganz unbekümmert, wo es war, und sich selten mehr bedingend, als das Laissez faire! Er schmolz Kupfer am Nordkap, Eisen in Dalmatien; er spann in Berlin, in Cottbus; er bauete Maschinen in Frankreich, Italien, und unterhielt Etablissements in Aachen und drei belgischen Städten zugleich. Katastrophen in Menge kamen über ihn; Stürme, Gewitter ohne Zahl: er überstand sie ungebeugt. Immer schritt er an der Spitze der industriellen Ideen voran, bald anregend, bald steuernd. Der rasche Wechsel in den Arbeitsprozessen