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Seite:Meyers Universum 10. Band 1843.djvu/19

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Etwa eine Meile von Lüttich, hart am Ufer der Maas und am Rande eines schönen Parks, liegt ein altes Schloß bei einem unabsehlichen Mauerviereck, aus dem eine Menge schlanker Thürme, wie die Minarets einer Stadt des Orients, hervorschauen. Es ist Seraing, das weltberühmte Etablissement John Cockerill’s.

Man hat Seraing das Eskurial der Industrie genannt. Es ist in der That an Umfang noch größer, als jenes berühmte Gebäude der Faulheit, obschon es nichts von der verschwenderischen Pracht verräth, die da übel angebracht seyn würde, wo nur Zweckmäßigkeit gesucht wird und schicklich ist. Dem ursprünglichen Plane nach würde Seraing eine Bevölkerung von etwa 4000 Personen fassen können, die Familien der verheiratheten Arbeiter eingerechnet. Gegenwärtig, und seit ihm die Pflege seines Schöpfers entzogen ist, hat das Etablissement etwa 900 Werkleute, und in den dazu gehörenden Steinkohlen- und Eisengruben fahren 3 bis 400 Bergknappen an. Cockerill’s Idee war, in Seraing die Eisenfabrikation, von der Erzgewinnung an bis zu ihren höchsten Stufen und Veredlungsgraden, auf das Großartigste und Zweckmäßigste zu vereinigen. Es sind drei Hohöfen hier und im Stande, wöchentlich 3500 Centner Roheisen zu liefern, welches alle Arbeitsprozesse bis zur fertigen Locomotive durchläuft. Seraing sollte jährlich für 4 Millionen Franken Waare produziren und sich binnen 9 Jahren bezahlt machen. Jetzt fertigt es für etwa eine Million Franken jährlich, meistens Maschinen und Schienen für die Eisenbahnen. Das Roheisen wird theils in einer sehr großen Zahl von Puddlings- und Schweißöfen und auf Hämmern und Walzwerken zu Stabeisen umgewandelt, um als solches weiter verarbeitet zu werden, oder es wird, in Kupolöfen umgeschmolzen, zum Guß der Maschinentheile verwendet. Ungeheuer große, feuerfest-gewölbte Räume nehmen die Gelb- und Rothgießereien und die Schmieden ein. Alle ersinnlichen Vorrichtungen zum Maschinenbau sind hier aufgestellt: z. B. eine Menge Bohrmaschinen, Drehbänke, Metallhobelmaschinen etc. etc. von jeder Größe. Eisenbahnen machen alle Kommunikation schnell und leicht, und unzählige Krahnen tragen die schwersten Massen geräuschlos und ohne Anstrengung von einer Arbeiterhand zur andern. Fünfundzwanzig Dampfmaschinen strecken ihre Arme durch die ganze Anlage, und wenn Alles gleichzeitig in Thätigkeit ist, verzehrt sie die Kraft von 1200 Pferden und etwa 2500 Menschen. Disciplin und Ordnung führen überall das Ruder, und die größte Reinlichkeit geht mit ihnen Hand in Hand. Alle Maschinen glänzen so neu, als kämen sie eben fertig aus der Werkstätte. Gegenwärtig werden hier nur große Maschinen, vorzüglich Dampfmaschinen aller Art, Lokomotiven für Eisenbahnen und eiserne Dampfschiffe gemacht, letztere von vorzüglicher Leichtigkeit und Dauer. Nichts aber gibt einen anschaulicheren Begriff von der enormen Masse von Maschinen jeder Art, welche aus diesem Etablissement hervorgegangen sind, als die Magazine für die Modelle. Sie allein füllen den größten Theil des Schlosses und mehre Nebengebäude an. Ein großer Saal dient z. B. blos zur Bewahrung der Formen gezähnter Räder; alle sind nach ihren Dimensionen schön geordnet und mit fortlaufenden