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Seite:Meyers Universum 10. Band 1843.djvu/195

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Boden ist daselbst der theuerste auf der ganzen Erde. Jeder Quadratmeter Flächenraum kostet 450 Franken, der Raum eines gewöhnlichen Grabes über 1000 Franken. –

Die Eingangspforten des Todes – gewaltige eiserne Gitterthore, zu deren Seiten die Leichenhallen mit den Wohnungen der Todtengräber, der Wächter, des Inspektors und eines Arztes sich befinden – sind von Mitternacht bis zum Abend offen, und wer an dieser Pforte weilt, sieht, daß der Tod niemals rastet. – Während Epidemien herrschen, folgen sich öfters ganze Tage lang die Trauerzüge auf dem Fuße, und als die Cholera vor einigen Jahren die Pariser decimirte, zogen die Todten in zwei- und dreifachen Reihen durch die weiten Thore in ihr Reich. Dem Eingang gerade gegenüber steht die Kirche, ein schönes Gebäude. In einem kleinen freundlichen Hause wohnen zwei Kirchendiener, welche bei den Ceremonien administriren.

Zunächst der Kirche fesselt das Grabmal des Abelard und seiner Heloise den Blick. Es ist von einer schönen gothischen Kapelle eingeschlossen, und wurde bei der Errichtung des Kirchhofs aus der alten Abtei St. Marcells hierher versetzt. Leider! beging man bei diesem Anlaß die Roheit, die Gebeine beider Liebenden, die bisher ein Sarg umschlossen hatte, zu sondern und in zwei verschiedene Särge neben einander zu betten. – Zunächst diesem entweiheten, aber prächtigen Denkmal romantischer Vorzeit erhebt sich ein einfacher Stein mit dem Namen Sonnini, des großen Forschers im Reiche der Natur, Büffon’s Freund und Gehülfe. Etwas östlicher ragen die Grabmäler Hallé’s, des Arztes, und Delambre’s, des Astronomen. Hier beginnt der sogenannte classische Grund der Nekropolis, wo jeder Name einen großen Mann der Wissenschaft oder der Kunst andeutet. Mit Ehrfurcht berührt der Fuß die Grabhügel von Hauy, des Mineralogen; Fourcroy, des Chemikers; Bernardin St. Pierres, des geistreichen Denkers über die Harmonie in der Natur; Visconti’s, des Archäologen; Mentelle’s, des Geographen; Gretry’s, des Componisten; und der Dichter: Jaques Delille, Mercier und Chenier, des Sängers der Freiheit. Delille schläft unter den Blumen eines kleinen Gärtchens; über dem Pförtchen steht schmucklos sein Name. Eben so einfach ist Chenier’s Ruhestätte – Name, Geburts- und Todestag ist die ganze Inschrift auf dem Steine Dessen, der fortlebt und fortwirkt, so lange die Gesänge der Freiheit Menschenherzen wärmen. – Die kühne Seglerin der Lüfte, Madame Blanchard, ruht nicht weit von Delille, und nächst ihr der große Beherrscher des Tonreichs, Mehul. Eine Gruppe einfacher Denksteine gehört den Pädagogen und Philantropen an: wir lesen die Hochachtung gebietenden Namen von Hauy, des Lehrers der Blinden; Petit’s, des Mitbegründers der polytechnischen Schule; Abbé Gauthier’s, des Verbesserers des Elementarunterrichts. Von da wenden wir uns ostwärts zwei Mausoleen zu, welche groß, prächtig und anspruchsvoll, den Wanderer herbeirufen: es sind die Gräber des Marschalls Kellermann und seiner Gattin. – Daneben steht bescheidener die Urne eines Opfers der Treue – des edeln, unglücklichen Labedoyere. Etwas