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Seite:Meyers Universum 10. Band 1843.djvu/194

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ganz anders um die Welt stehen möchte, hätten die starken Geister ihren Zielen mit vereinigten Kräften zugestrebt, und daß sie viel mehr gewirkt haben würden, hätten sie im Leben so enge bei einander gestanden! Wie stark, wie mächtig, wie unverletzlich würde da das Recht jetzt seyn, für das sie gerungen, wie gedemüthigt das Unrecht, gegen das sie gekämpft, wie fest und unzerreißlich die Fesseln, die sie um die Tyrannei gelegt! Aber die Schlangensaat der Zwietracht, welche die Gegner unter sie geworfen, hat stets ihre Kraft gebrochen, die Arglist der Feinde hat immer wieder die Organismen ihrer großen Schöpfungen zerstört und zerrüttet, ehe sie sich zu beständigen Formen entwickeln konnten, und so ist ihre Zeit aufgegangen in einer Reihe von Zersetzungsprozessen. Es ist unter solchen Verhältnissen noch von Glück zu sagen, daß sich das neue Leben im Keime – das Prinzip der Volkshoheit als rechte Basis der Freiheit – in die Gegenwart herüber rettete.

Der Kirchhof Père la Chaise ist am Ostende von Paris, unfern von der Barriere d’Aulnay. Eine schönere und passendere Lage für die Nekropolis hätte man nicht wählen können. Sie nimmt einen etwa 100 Morgen großen Hügel ein, der trocken, luftig und nach allen Seilen hin frei ist. Auf seinem Gipfel stand ehedem ein Kloster. Ludwig XIV. erbaute nachher ein schönes Landhaus an dessen Stelle und schenkte es mit den reizenden Gartenanlagen seinem Beichtvater, Père la Chaise einem Jesuiten, von dem es an den Orden vererbte. Hier wurden zur Zeit der Maria von Medicis, die Pläne zur Protestantenverfolgung entworfen, hier der Widerruf des Edikts von Nantes zuerst vorgeschlagen, hier die schärfsten Pfeile geschmiedet, welche der schlaue, nach Weltherrschaft trachtende Orden gegen seine Feinde sendete, und die finstersten Intriken angesponnen, welche das Glück Tausender vernichteten und Staaten und Völker entzweiten. Nach der Aufhebung des Ordens, 1763, wurde Père la Chaise öffentlich verkauft und es wechselte seine Besitzer von da an sehr häufig. Die splendide, in der Unterhaltung höchst kostspielige Anlage verschlang ein Vermögen nach dem andern, und es wurde sprüchwörllich, daß, wenn ein reicher Mann sich ruiniren wolle, er Père la Chaise kaufen müsse. Endlich, im Jahre 1801, erwarb die Stadt das Besitzthum und bestimmte es zur neuen Nekropolis von Paris. Die parkmäßige Anlage geschah unter der Leitung Brongiarts. Die Unregelmäßigkeit des Terrains begünstigte eine malerische Anpflanzung; Haine von Cypressen und Trauerweiden wechseln mit Bosketts von blühenden Sträuchern und immergrünen Gewächsen und dem sammtnen Teppich der Rasenplätze, unter denen die Tausende schlummern, deren Stätte kein Kreuz oder Abzeichen bemerklich macht. Die höchsten Punkte mit reizenden Aussichten über Paris, Vincennes, Meudon, Montreuil und hundert andere Dörfer und Flecken an den Ufern der Seine und der Marne, sind vorzugsweise den Mausoleen des Ruhms und des Reichthums vorbehalten. Von diesen Punkten ragen Obelisken, Pyramiden, Tempel, Kapellen und Grabmäler aller Formen. Es sind diese Höhen kleinern Vermögen durchaus unzugänglich: denn der Grund und