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Seite:Meyers Universum 10. Band 1843.djvu/193

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Helme von Silber senden von den vier Ecken des Sarges wallende Reiherfedern herab. Auf dem Deckel liegen die Zeichen des Ranges des Verstorbenen. Diener tragen auf Sammtkissen die Dekorationen, welche der Verstorbene hatte. Sein Leibroß figurirt hinter dem Sarge. Kameraden des Todten, Generale im großen Kostüm, halten die Zipfel des Sargtuchs. Offiziere, Beamte, Freunde folgen dem Wagen und eine Abtheilung Liniensoldaten und Gensd’armen beschließen den Zug. Der Pariser hält aus, bis der Letzte der Cavalcade an ihm vorüber schreitet. Dann trennen sich die Massen im Nu – und mit dem banalen „C’est fini!“ eilt Jeder zu Hause, oder zu neuem Vergnügen. Das Spektakelstück endigt in Père la Chaise mit einigen Reden über dem Grabe, die, kalt gesprochen, nur von Wenigen gehört werden, und mit einer Musketensalve. „C’est fini!“ ruft der Pariser wieder, und das Uebrige bleibt den Steinmetzen und Bildhauern überlassen, welche die Thaten des Verstorbenen einem Monumente einmeiseln.

Die Masse von Denkmälern berühmter und großer Menschen in diesem Friedhofe ist enorm. Père la Chaise ist ein Register der neuern Geschichte: ihre Stromkarte in allen ihren Wendungen, Erweiterungen, Wasserschnellen und Stürzen liegt ausgebreitet vor dem betrachtenden Auge. Wandelt man unter diesen Gräbern, so möchte man mit dem Grubenlicht hinabsteigen in die engen Wohnungen und die großen Gestalten einer großen Zeit heraufbeschwüren an das Licht des Tages; ich meine jene Gestalten, die stolz ihre Häupter in den Geisterhimmel erhoben, jene Männer, welche in Staat und Wissenschaft die Vernunft zuerst in ihre Würde eingesetzt, jene starken Seelen, welche schaffend und gestaltend nach eignem Typus, von Gott selbst berufen schienen, Völker zu lenken und den Entwickelungsgang der Menschheit zu beschleunigen. Die leuchtenden Namen der französischen Revolution findet man in Père la Chaise wieder. Während das Auge sie auf den Monumenten entziffert, steigen sie vor der Seele wie riesige Schatten auf, und was sie gethan und gestrebt, das zieht lebendig durch die Erinnerung. Freilich decken nicht alle Mausoleen ausgezeichnete Menschen. Gar viele sind nur Mumiendecken der Eitelkeit, des Irrthums, oder des Verbrechens.

Sinnig und schicklich haben sich in dem weiten Todtenparke die Gestirne je nach ihrer Art zusammen geordnet, die illustren Abgeschiedenen je nach ihrer Gattung sich geschaart. Die großen Männer der Wissenschaft, der Kunst, des Staats; die Helden der Schlachten der Republik und des Kaiserreichs; die Gesetzgeber und jene, welche der Freiheit Acker rodeten und die Bürgerhoheit, den Baum, welcher stark, grün, ausbreitend seine Zweige über viele Völker, die Hoffnung der künftigen Geschlechter ist, aus dem Keime geweckt, ihn gepflegt und groß gezogen haben, – sie sind hier geselliger zu einander getreten, als im Leben. Liest man die Namen auf den Todtensteinen manches kleinen Raums, wie oft wird da der Gedanke hervorgerufen, daß es wohl