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Seite:Leipziger Kunstblatt Dresdner Kunstausstellung 1817.djvu/5

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gemalt und in der höchsten Vollendung ausgeführt ist das vom Professor von Kügelgen gegebene Kniestück. Eine junge Dame sitzt unter einer von Wein umrankten Halle, und hält auf ihren Knieen das mit Eichenkränzen umwundne Schwerdt ihres eben aus dem Kampfe glücklich zurückgekehrten Gemahls. Wie sinnige und sprechend ist dies von kastanienbraunen Locken umwehte Köpfchen, wie schön der zarte weiße Hals! Im reinsten Faltenwurf schließt sich ein Gewand von blauem Sammet an die schlanke Gestalt, mit einer breiten Blonde um die Brust gezieret; die Aussicht in eine freundliche Gegend und auf die Kuppel einer fernen Kirche bildet den Hintergrund. Das Ganze ist zugleich kräftig und zart gehalten. Weniger ansprechend war die Familiengruppe von demselben Meister gemalt; die Idee schien den Meisten zu sentimental, und so schön auch die Ausführung war, so störend blieb doch der Mangel an Harmonie in dem Kostum, da der einfache Reisemantel des Knaben wohl einen guten Hintergrund bildete, aber doch zu sehr mit dem orientalischen Putz der jugendlichen Mutter kontrastirte. Ganz trefflich waren zwei Kniestücke, männliche Portraits, vom Professor Matthäi gemalt, besonders das eine, der ehrwürdige Oberschulrath Campe, war treffend der Natur abgelauscht; dies sinnende, halb gesenkte Greisenhaupt mit der klaren, leuchtenden Stirne, dem sanften und doch seelenkundigen Auge, dem freundlichen Mund, bleibt gewiß jedem unvergeßlich, und wie treu war der schlichte, bequeme hellgraue Rock des lieben Alten, wie natürlich seine ganze Stellung! Noch ein liebliches Portrait war das Brustbild einer jungen Engländerin, von Retzsch recht zart und sprechend ähnlich gemalt, so wie die Gruppe, welche uns der talentvolle Schweigart noch hinterließ, ehe er nach Italien pilgerte, seine Gattin mit seinem Kinde darstellend, recht brav gemalt war, ganz in der Weise der Schule Grassi’s, welche die glühendsten Farben in eine wohlthuende Stimmung zu bringen lehrt. Nun noch wenige Worte über die geringe Anzahl eigner Ideen, die unsere Künstler uns diesmal schenkten. Denn bald der Eitelkeit, bald dem Wunsch des freundlichen Andenkens huldigend, muß ja leider jetzt die Kunst immer nur zum Griffel der Erinnerung Einzelnen dienen, um die nur ihnen merkwürdigen Lieben festzuhalten im wechselvollen Gebiete der Zeit und des Raumes. Wie selten ist sie noch der wundersame Lilienstengel der Religion, der das Höchste und Heiligste, das Erhebendste und Tröstendste vom Himmel der Erde zuweht! Und eben so selten wird sie klarer Spiegel der Geschichte, Zauberstab der Phantasie! Dieser schönere Beruf wird ihr fast niemals mehr auf Erden: als Dienerin, und nicht als Priesterin wollen die Meisten sie anerkennen. – Doch zurück in unser Professorzimmer, wo wir zuerst die vielen trefflichen Arbeiten des wackern Veteranen und berühmten Landschaftsmalers Klengel bewundern; seine große herbstliche Landschaft besonders, eine Erdäpfelerndte vorstellend, war ausgezeichnet schön, voll Leben und Wahrheit; aber auch seine felsige, südliche Landschaft, und seine sechs kleinere, höchst ausgeführten Viehstücke, zeigten den geübten, vielerfahrnen Meister, und die letztern dürfen die Vergleichung mit Roos nicht scheuen. Ein Gemälde in Lebensgröße, Christus am Oelberge vorstellend, den der Engel den Kelch reicht, vom Professor Pochmann, war reche brav; daß es bei diesem geübten Künstler nicht an technischer Practik und kräftiger Farbe fehlen kann, ist anerkannt, aber auch das fühlende Gemüth wurde durch dies Bild recht wohlthuend befriedigt.

Eine Skizze des Professor Hartmann, den Sturz der bösen Geister nach der Offenbarung St. Johannis darstellend, zeigte von wundersam tiefen Studium, und von der ungemeinen Kenntniß der Anatomie dieses, dem Michel Angelo Buonarotti nachstrebenden Künstlers. Man mußte diese Masse so furchtbar übereinanderstürzender Gestalten, die so gedrängt, und doch nicht verworren waren, bewundern; aber es erfreuet nicht Kunst, Fleiß und Phantasie auf einen so schrecklichen, alle Gränzen des Schönen überschreitenden Gegenstand gewendet zu sehen, und dürfen wir eine Bemerkung wagen, so würden wir, wenn dieß nun einmal dargestellt werden sollte, wünschen, in den bösen Geistern alle Begierden und Laster in höchster Charakterkraft bei ursprünglicher Schönheit der Züge, dargestellt zu sehen, so wie in den guten Engeln die reinste höchste Schönheit. Doch wird eine solche Masse von Gliedern nie dem Auge wohl thun, so eine schwierige Kunstaufgabe sie auch ist. Ein kolossaler Johannes, im Brustbilde so dargestellt, wie er in die Sternennacht als heiliger Seher hinausschaut, die Sonnenschrift ferner Weltsysteme niederzuschreiben trachtend, von Moritz Retzsch, war schön gedacht und in einem ernsten, nächtlichen, und dennoch klaren Farbentone sinnig gemalt; doch thut es sehr weh, bei diesem Gemälde sowohl, als bei dem andern kleinen, weit welches die liebliche Idee darstellt, wie Eros einem jungen Mädchen (vielleicht der Psyche selbst) Pfeile schießen und Bogen spannen lehrt, die Bemerkung machen zu müssen, daß dieser überaus geniale und denkende Künstler nicht mehr so streng gegen sich ist in der richtigen Zeichnung und naturgemäßen Wahrheit, wie sonst. Er ist unstreitig der genialste aller Zöglinge unserer Akademie, möge er bald von dem Abwege umkehren, an dessen Rand er eben erst steht, wo er, anstatt in das tiefere Heiligthum der Natur zu dringen, in den Irrgarten der Manier sich verlöre! Möge er diesen wahrhaft wohlgemeinten Wunsch nicht übel nehmen, und seine große Gewandtheit sich nicht verführen lassen zum Verschmähen des ernsten Studiums der Natur!

Empfohlene Zitierweise:
Unbekannt: Einige Worte über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung im August 1817. F. A. Brockhaus, Leipzig 1817, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leipziger_Kunstblatt_Dresdner_Kunstausstellung_1817.djvu/5&oldid=- (Version vom 21.9.2024)