der Illyro-Serben im Wesentlichen ein und dieselbe Sprache ausmachen. Es kam nur darauf an, diese Ansicht ins Leben einzuführen, um so auch die einzelnen Winkelliteraturen zu einer gemeinsamen Literatur zu erheben. Diess erkannte als seine Aufgabe der Croat Ljudewit Gaj.
Gaj gehört unstreitig zu den bedeutendsten und interessantesten Männern im heutigen Slawenthum. Wir wissen von seinen äusseren Lebensumständen nur wenig, es ist diess auch für unsern Zweck von keinem grossen Belange. Seine Geburt fällt etwa in die Zeit, als Napoleon die ihrer Hauptbevölkerung nach slawischen Provinzen Kärnthen, Krain, Istrien, Görz und das Triester Küstenland von Oesterreich losriss und ihnen den alten Namen „Illyrien“ gab. Die Erziehung des jungen Gaj fiel schon in friedlichere Zeiten und wurde unter den Augen einer liebevollen Mutter geleitet. Sie, welche mit flammender Liebe an Allem hing, was ihrem Volke theuer und national ist, hat auf die Gesinnung und das ganze Wesen ihres Sohnes einen entschiedenen Einfluss geäussert. Noch heute spricht derselbe mit frommer Rührung davon, wie sie ihn für die Bahn vorbereitet habe, die er sich später auserwählte. Unterstützt von herrlichen Anlagen musste es dem jungen Gaj leicht werden, sich schon in seiner Heimath mit deutscher Bildung zu befreunden. Ein längerer Aufenthalt auf österreichischen und deutschen Universitäten gab dem in der Heimath erworbenen geistigen Kapital eine höhere Weihe. In sie kehrte er als Doctor der Rechte mit feiner Menschen- und Völkerkenntniss bereichert zurück. Es war dies in jener Zeit, als einerseits die Magyaren sich fest vornahmen, allem Slawischen innerhalb ihres Landes den Krieg bis zur unbarmherzigsten Vernichtung zu führen, und die Staatsregierung mit sichtlichem Wohlgefallen die Bestrebungen derselben unterstützte, als aber auch anderseits die Böhmen bereits zu einer klaren Einsicht in die Weise gekommen waren, wie sie die Wiedergeburt ihres Vaterlandes zu betreiben hätten, und allmählig zu ahnen anfingen, welchen Beruf ihnen die Weltgeschichte auferlege. Alle diese Gährungen und Verhältnisse hatte Gaj mit seinem scharfen Blicke an Ort und Stelle würdigen gelernt; er hatte sie im ersten Momente als die Vorboten künftiger, verhängnissvoller Ereignisse erkannt; es war ihm klar geworden, dass auch sein Geburtsland und der Stamm, dem er angehörte, mit oder ohne Willen in diesen Gährungsprocess hineingezogen werden würde. Das Beste schien ihm, selbst die Initiative zu ergreifen und die Erweckung seiner Landsleute vom langen Schlummer durch geistigen Einfluss auf literarischem Wege zu erzielen. Es galt dem Traum des Jünglings im Mannesalter Leben und Gestalt zu geben.
Alles hing davon ab, wie Gaj selbst sich seines Strebens bewusst geworden war. Er wusste, was er wollte und kannte die Gemüther seiner Landsleute. Auf sie musste schon seine äussere Gestalt, sein hoher und schlanker Wuchs, die feste Willenskraft, die sich energisch und ernsthaft auf seinem Gesicht ausdrückt, die aus seinen Augen auflodernde Begeisterung, sobald es sich um nationale Interessen handelt, den stärksten Eindruck machen, und namentlich musste der unaufhaltsam aber zugleich würdevoll und gemessen dahinströmende Fluss seiner Rede ihm die eines höhern Gedanken Fähigen seiner Stammgenossen, vorzüglich aber die junge Generation zuwenden. Unverzagt und entschlossen warf er selbst, ihnen zum Beispiel, die aristokratischen und religiösen Vorurtheile ab, unter denen er aufgewachsen war. Zuvörderst war es ihm nur darum zu thun, eine Zeitschrift in der Nationalsprache zu begründen. Als Croat hatte er sich desswegen an die ungarischen Behörden zu wenden, welche den Wünschen des Bittstellers natürlich nicht entgegen kamen. Da wandte sich der kaum fünf und zwanzigjährige Literat an den Kaiser Franz, der ihm in einer Audienz die nöthige Vollmacht ertheilte. Ohne Verzug richtete Gaj in Agram eine Nationalbuchdruckerei ein. Die Zeitung erschien anfangs in der Mundart von Provincialcroatien und als „croatische Nationalzeitung“, wurde aber nach wenigen Monaten in die „illyrische Nationalzeitung“, und das literarische Beiblatt in den „illyrischen Morgenstern“ umgetauft. Zugleich ging die Sprache dieser Blätter allmälig in den Dialekt über, wie er vorzugsweise in Dalmatien, dem Gränzlande, und Bosnien gesprochen wird und in
Ernst Eduard Kunik: Ljudewit Gaj und der Illyrismus. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843)_015-020.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)