der sogenannten dalmatinischen Literatur zur Schriftsprache erhoben und ausgebildet worden ist. Eine den slawischen Lauten und dem kyrillischen und russischen Alphabet analoge lateinische Orthographie gab auch äusserlich der Sprache ein geschmackvolleres, wenn gleich anfänglich befremdendes Gewand.
Die Vertauschung des Namens war ein kühnes Wagstück; sie konnte das ganze Streben Gaj’s ins Lächerliche wenden. Er gab seine Erklärung dahin ab, dass der slawische Stamm der Illyrer, Croaten und Serben, welcher eine, nur durch geringe mundartliche Verschiedenheiten bezeichnete gemeinsame Sprache besitze, auch eine gemeinsame Literatur mit einem gemeinsamen Namen aufbauen müsse, wenn er nicht geistig und moralisch verwittern wolle. Um dem Namen „illyrisch“ seine Fremdartigkeit zu benehmen, berief er sich darauf, dass die alten Illyrier, welche zum Theil in den Ländern der heutigen Südslawen ihre Wohnsitze hatten, Slawen gewesen wären. Mit grösserem Recht konnte er ferner sich darauf berufen, dass heute wenigstens ein Theil der Südslawen den Namen Illyrier führt und besonders, dass im Mittelalter und den folgenden Jahrhunderten „illyrisch“ öfter von den meisten jener Slawenstämme gebraucht wurde. Solche Erklärungen führten wohl dem aufgehenden Illyrismus zahlreiche Anhänger und Schwärmer zu, konnten aber nicht die Gegner desselben gewinnen.
Zu ihnen gehörten und gehören vorzugsweise die Magyaren, denen der Illyrismus von seinem Entstehen an ein Dorn im Auge war, da er nicht nur ihren nationalen Grausamkeiten gleich kühn entgegen trat, sondern ihnen auch Besorgniss wegen der Zukunft einflösste, namentlich weil er ihnen den Weg nach dem adriatischen Meere und dem sogenannten ungarischen Hafen zu versperren drohte. Man hat daher magyarischer Seits alle erdenklichen Mittel angewendet, um die Flamme des Illyrismus zu ersticken. Anfangs glaubte man ihn zu beseitigen, wenn man den Begründer desselben, Ljudewit Gaj, zu gewinnen vermöchte. Die magyarischen Magnaten liessen es an Lockungen und Versprechungen nicht fehlen. Sie machten Gaj, als er einst mit ihnen zusammenkam, in freundlichem Tone darüber Vorwürfe, dass er den croatischen Namen vernichte, und boten ihm jede Förderung seiner Zwecke an, wenn er blos für Croatien, nicht aber für den Illyrismus thätig sein wolle. Von diesem können sie nichts Gutes erwarten; sie besorgen, dass einst, wenn die ungarischen Slawen mit den Magyaren den unvermeidlichen Kampf auf Leben und Tod beginnen werden, die kriegerisch gesinnten und schon jetzt schlagfertig dastehenden Slawen der Militairgränze ihren Brüdern in Ungarn zu Hülfe eilen möchten. Darum suchten auch die Magnaten Gaj’s Wirksamkeit in den Augen der ungarischen Regierung zu verdächtigen, indem sie ihn beschuldigten, dass er den Russen in die Hände arbeite. Ihm aber nöthigten solche Verläumdungen keine Vertheidigung ab, sondern er trennte sich von ihnen mit den Worten: „Ihr Magyaren seid nur eine Insel auf dem slawischen Ocean, überstrengt Ihr Euch zu sehr, so werden Euch die Wellen desselben bedecken.“ Wir lassen es dahin gestellt sein, ob diese Worte nicht etwas poetisch klingen, und bemerken nur, dass Gaj, obgleich er, so wie andere angesehene Slawen in Ungarn, kaum seines Lebens vor den Magyaren sicher ist, doch diesen selbst die grösste Anerkennung als frischen, thatkräftigen Naturen zollt. In der jüngsten Zeit scheinen die Magyaren zu der Einsicht gekommen zu sein, dass Croatien und die ihm stammverwandten Länder sich nie zur Magyarisirung bequemen werden. Wenigstens gestehen sie ein, dass Gaj’s Bedeutsamkeit von Tag zu Tage wächst und dass die von ihm ausgegangene Idee von selbst immer weiter um sich greift.
Ganz andere Hindernisse traten dem Streben Gaj’s in seiner Heimath und unter den ihr zunächst wohnenden Stämmen entgegen. Die Aristokratie in Croatien und Slawonien sah in dem Illyrismus zugleich ein demokratisches Element, das ihren Vorrechten einst den Todesschlag beibringen möchte. In der That haben sie dieses zu erwarten, wenn nicht, wie es den Anschein hat, die heranwachsende junge Generation des illyrischen Adels ihren Beruf besser erkennen wird. In Krain, Kärnthen und Steyermark hatte der Illyrismus ausser manchen andern Hindernissen noch eine unglaubliche geistige Trägheit und Dumpfheit zu überwinden;
Ernst Eduard Kunik: Ljudewit Gaj und der Illyrismus. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843)_015-020.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)