hat sie ihn auch nicht gehabt; vor dem Stadtthor bekam er Sehnsucht nach mir, sprang aus ihrem Busen heraus und lief wieder zu mir zurück.“
Alles Volk lachte, die Königin aber schrie:
„Pfui, ist das ein unanständiger Bengel!“
„Ruhe!“ gebot der König; denn ihn freute es, daß der Junge die Königin und die Prinzessin so übel mitgenommen, weil er glaubte, sie hätten die Sache nicht listig genug angefangen. „Junge, erzähl weiter!“
Dann zischelte er seiner Frau zu: „Warte nur ab, mich hat er nicht erkannt!“
Der Junge aber erzählte:
„Den vierten Tag ging es gar toll, da besuchte mich unser allergnädigster Herr König, der kam auf einem Esel geritten, hatte lederne Hosen, hohe Stiefel und einen langen Rock an und trug einen großen Bauernhut auf dem Kopfe. Er wollte sich auch einen Hasen verdienen. Küß deinen Esel neunmal unter den Schw–a–!“
„Ha–a–alt! Der Sack ist voll!“ rief der König; „Komm herab, lieber Junge, hier hast du meine Tochter!“
Da stieg der Junge von der Kanzel herab und bekam königliche Kleider anzuziehen, und dann wurde Hochzeit gefeiert. Und als die Prinzessin vernahm, daß er kein hergelaufener Bettler, sondern königlicher Abkunft sei, gewann sie ihn auch von Herzen lieb. Und sie lebten glücklich und zufrieden ihr Leben lang; und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/99&oldid=- (Version vom 1.8.2018)