zweiten Tage ein Bauermädchen zu mir, das war aber unsere Prinzessin, die hier unten sitzt, und bat mich, ich sollte ihr einen Hasen verkaufen. Verkaufen giebt’s nicht, hier heißt’s verdienen, sagte ich, und du sollst einen Hasen bekommen, wenn du mir einen Kuß giebst. Da spitzte sie ihr rotes Mäulchen und gab mir einen Kuß, und dann hatte sie ihren Hasen weg. Aber lange hat sie ihn nicht behalten; er mochte wohl nicht bei ihr bleiben, sprang aus dem Korbe und lief wieder zu mir.“
Die Prinzessin wurde rot, wie ein Zinshahn, und hielt sich beide Hände vor die Augen; aber die Königin knuffte sie in die Seiten und sagte zu ihr:
„Das kommt davon, daß du dich nicht ordentlich ausgekleidet hast! Mich hat er nicht erkannt.“
Während die Königin noch auf die Prinzessin zankte, fuhr der Junge fort:
„Am dritten Tage bekam ich wieder Besuch. Es war eine alte Bäuerin, die mit Eiern und Äpfeln zu Markte zog. Sie that wenigstens so; es war aber unsere Frau Königin, die hier vor mir sitzt und die sich nur ausgekleidet hatte.“
„Hat mich der nichtsnutzige Schlingel doch erkannt!“ sprach die Königin beiseite.
„Sie wollte auch einen Hasen kaufen,“ fuhr der Junge fort, „gäbe ich ihr keinen, so gelte es ihr Leben, sagte sie. Verkaufen ist nicht, nur verdienen, gab ich ihr zur Antwort. Stellst du dich auf den Kopf und wackelst mit den Beinen, so sollst du einen Hasen haben. Da stellte sich unsere Frau Königin auf den Kopf und wackelte mit den Beinen und bekam ihren Hasen. Aber lange
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/98&oldid=- (Version vom 1.8.2018)