Es war einmal eine Bäuerin, der starb der Mann; da hatte sie nur eine einzige Stütze, das war Hinrik, ihr Sohn. Er mußte pflügen und eggen, füttern und düngen und, was der Arbeiten auf dem Lande noch mehr sind; aber er war und blieb trotz alledem entsetzlich dumm.
Die große Wiese, welche zu dem Hofe gehörte, lag weit ab, und Hinrik mußte durch die Stadt fahren, wenn er das Heu in die Scheune schaffen wollte.
„Hinrik, mein Sohn,“ sprach die Mutter, als er wieder ins Heu fuhr, „bring mir doch aus der Stadt von dem Kaufmann Nadeln mit, ich brauche sie nötig.“
„Gern, liebe Mutter,“ antwortete Hinrik und fuhr auf die Wiese; und nachdem er das Fuder Heu aufgeladen hatte und wieder in der Stadt angelangt war, hielt er bei dem Kaufmann und ließ sich für einen Groschen Nadeln geben. Der Kaufmann wickelte die Nadeln fein säuberlich in Papier, damit Hinrik sie nicht verliere. Dem war aber die Sache nicht sicher genug; und als er draußen vor dem Laden war, wickelte er das Päckchen auf und steckte eine Nadel nach der andern in das Heu.
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/100&oldid=- (Version vom 1.8.2018)