Der Brunnen der Gerechtigkeit wird gegeißelt von den Bösen und um der Bösen willen, aus daß er die Größe seiner Liebe zeige, denn die fließenden Wunden sind ein Zeichen der höchsten Liebe. O wie gar überflüßig ist das kostbare Blut geflossen, über den Rücken und die unschuldigen Seiten des Sohnes Gottes, in dem gänzlich keine Schuld gefunden werden mochte.
Darum spricht auch der Prophet: Sie haben mich ohne alle Ursache geschlagen mit Geißeln. Aber der Herr wollte darum mit Geißeln geschlagen werden, daß er Uns von der ewigen Geißelung des Teufels erlöste. O gütiger Jesu, warum hast du dich nicht verschont, das du doch konntest als der Allmächtige, das dir doch geziemte als dem Sohne des himmlischen Königs! Auf diese Frage antwortet der heil. Bernhard in der Person Christi sprechend:
„Die Größe der Liebe hat mir Das zu thun nicht vergönnt. Nimm wahr! Die Flammen der Liebe, das menschliche Geschlecht zu erlösen haben mich also gebrannt, daß ich mich in keinem Dinge mochte schonen.“
O mein Gott, ist nun Dem also, wo ist dann meine entgeltende Liebe, mit der ich hinwieder dich lieb habe? Du hast dich meinetwegen in keiner Sache verschont, und ich will deinetwegen auch gar keine Widerwärtigkeit leiden! Ist nicht dieser Weg ungleich und gänzlich ungerecht?!
Franz Joseph Holzwarth: Passionsbilder. Franz Kirchheim, Mainz 1856, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Holzwarth_Passionsbilder.djvu/80&oldid=- (Version vom 1.8.2018)